Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Berufungszulassung bei abweichender Auffassung des Instanzgerichts (vgl. BVerfG in NZI 2014, 975) (Beschluss vom 12.8.2014 − 2 BvR 176/12). Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Durch die grundgesetzlichen Gewährleistungen ist der Bürger vor unzulässigen Eingriffen in seine Rechte nur dann effektiv geschützt, wenn er die Beachtung seiner Rechte auch vor einem Gericht einklagen kann. Art. 19 IV GG ist jedoch nicht nur auf den Schutz der Grundrechte beschränkt, sondern bezieht sich auf die Prüfung der Verletzung einfachgesetzlicher Normen. Anderenfalls wären die Grundrechte leere Formeln ohne praktische Bedeutung. Insofern ist Art. 19 IV GG sowohl ein formelles Grundrecht als auch ein Verfahrensgrundrecht. Es bietet einen lückenlosen gerichtlichen Rechtsschutz vor staatlichen Maßnahmen.
Der Rechtsweg ist gewährleistet gegen Maßnahmen der öffentlichen Gewalt, die eine Rechtsverletzung herbeiführen können. Von dieser Gewährleistung ist nicht das Recht umfasst, wegen einer vermeintlichen Grundrechtsverletzung das Bundesverfassungs-gericht anrufen zu können. Diese Möglichkeit wird durch Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG als Spezialnorm ausdrücklich geregelt und unterfällt der Rechtsschutzgarantie nicht.
I. Maßnahme der öffentlichen Gewalt
Grundsätzlich fallen unter den Begriff der öffentlichen Gewalt die drei Staatsgewalten Legislative, Judikative und Exekutive. Fraglich ist dieser Begriff auch im Rahmen des Art. 19 IV GG gilt.
1. Exekutive
Der Schutz gegen Maßnahmen der Exekutive als der Gewalt, die Gesetze ausführt, ist ohne weiteres gegeben. Insbesondere ist nach heutiger Ansicht auch in den sog. besonderen Gewaltverhältnissen (Beamte, Schüler, Strafgefangene usw.) der Rechtsschutz nicht ausgeschlossen, sondern auch hier besteht ein Anspruch auf gerichtliche Prüfung von Maßnahmen.
2. Judikative
Es ist zweifelhaft, ob Art. 19 IV GG nicht nur den Schutz durch den Richter gewährleistet, sondern auch gegen Entscheidungen des Richters. Dies ist nach nahezu einhelliger Auffassung jedoch nicht der Fall. Dies wird damit begründet, dass der Bürger nur einen Anspruch darauf hat, dass sich überhaupt ein Gericht mit der Angelegenheit befasst, nicht aber, dass auch ein Rechtszug gewährleistet wird. Ein solcher wäre aber Voraussetzung um den Schutz gegen richterliche Entscheidungen in den Schutzbereich des Art. 19 IV GG mit einzubeziehen. Diese Auslegung berücksichtigt das Erfordernis der Rechtssicherheit. Wäre gegen jede richterliche Entscheidung wegen Art. 19 IV GG immer und immer wieder eine gerichtliche Prüfung möglich, könnte nie von einer Bestandskraft ausgegangen werden und Rechtssicherheit würde nicht mehr bestehen (BVerfG 15, 280; 65, 90; BVerfG NJW 2003, 3687).
3. Legislative
Die gerichtliche Überprüfung von Gesetzen durch die abstrakte und konkrete Normenkontrolle ist in Art. 93 GG ausdrücklich geregelt. Danach steht es grundsätzlich nicht in der Macht des Einzelnen unabhängig von einer konkreten Rechtsverletzung die Prüfung eines formellen Gesetzes zu veranlassen. Diese Grundentscheidung, dem Einzelnen grundsätzlich nicht das Recht zur Einleitung einer Normenkontrolle zu verleihen, darf durch eine weite Auslegung des Art. 19 IV GG nicht unterlaufen werden (BVerfGE 24, 33 [49]). Die Gesetzgebung durch das Parlament ist damit vom Schutzbereich des Art. 19 IV GG ausgenommen.
II. Rechtsverletzung
Art. 19 IV GG sichert den Rechtsweg gegen Rechtsverletzungen. Eine Berufung auf Art. 19 IV GG ist nur dann möglich, wenn subjektive Rechte des Verfahrensführers betroffen sind, wobei hierunter sowohl die privaten als auch die öffentlichen Rechte fallen, soweit diese auch dem Schutz des Betroffenen dienen.
Eine Rechtsverletzung liegt in einem rechtswidrigen Eingriff in diese Rechte. Allerdings besteht die Garantie effektiven Rechtsschutzes nicht erst dann, wenn die Verletzung tatsächlich feststeht, sondern bereits dann, wenn sie geltend gemacht, also nach dem Vortrag vorliegen kann (vgl. § 42 II VwGO).
Bereits Art. 19 IV GG sieht mit dieser Voraussetzung den Ausschluss der Popular- und Verbandsklage vor, soweit sie nicht ausdrücklich zugelassen wird.
III. Begriff des Rechtsweges
Die Rechtsweggarantie umfasst den Zugang zum Gericht, das Verfahren vor dem Gericht und die Entscheidung durch das Gericht. Hierbei muss es sich um ein staatliches Gericht handeln, das den Anforderungen an Art. 92 und 97 GG genügt.
Allerdings ist verbürgt nur der einmalige Zugang zum Gericht, hingegen ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, einen mehrstufigen Instanzenzug zur Verfügung zu stellen.
Art. 19 IV GG garantiert darüber hinaus aber nicht nur, dass sich ein Gericht überhaupt mit der Angelegenheit befasst, sondern erforderlich ist vielmehr die Zurverfügungstellung effektiver Rechtsschutzmöglichkeiten, die vom Betroffenen tatsächlich in Anspruch genommen werden können und nicht nach unangemessen langer Zeit zu einer Entscheidung führen.
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) Dezember 2014