Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 1. Staatsexamen – Bayern vom September 2019

Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom SEptember 2019 im ersten Staatsexamen in Bayern. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsfach:  Zivilrecht

Gedächnisprotokoll:

Teil I:
V ist eingetragener Kaufmann. Er handelt sowohl in seinem Geschäftslokal als auch online über seine Website mit gebrauchten Lkw. Die eingetragene Kauffrau K kennt sich, was V bekannt ist, gut mit Kraftfahrzeugen aus und betreibt eine Spedition. Sie hat in der Vergangenheit bereits mehrere Fahrzeuge für ihren Betrieb bei V erworben.
Im Juli 2019 entdeckt sie auf der Website des V ein „Verkaufsangebot Nr. 103-2019“ über einen gebrauchten Sattelzug zu einem Preis von 95.000,00 Euro. Folgende Informationen enthält das Angebot u.a.: „Erstzulassung: 9/2018, Kilometerstand: 35.000 km“. K vereinbart daraufhin einen Besichtigungstermin mit V, da ein entsprechender Sattelzug mit dem angegeben Alter und Kilometerstand üblicherweise 100.000,00 Euro kostet. Am 15.07.2019 besichtigt K den Lkw, der ihr wegen seines besonders guten Gesamteindrucks zusagt. V. und K werden sich nach zähen Kaufpreisverhandlungen wie folgt einig: V füllt -wie auch schon bei früheren Geschäften mit K- zwei identische, mit „Kaufvertrag“ überschriebene Formulare aus und trägt jeweils den Kaufpreis von 90.000,00 Euro sowie in die Zeile mit der Überschrift Kaufgegenstand „gemäß Verkaufsangebot Nr. 103-2019, siehe Anhang“ ein. Das Verkaufsangebot Nr. 103-2019 druckt er zweimal aus und fügt es den Formularen jeweils als Anhang bei. Darin ist der Lkw genauso wie auf der Website des V beschrieben. Außerdem enthalten die Kaufrechtsformulare einen optisch hervorgehobenen Hinweis darauf, dass sich die Käuferseite mit der Geltung der ebenfalls beigefügten „Verkaufsbedingungen“ des V einverstanden erklärt. Nach Lektüre des Vertrages unterzeichnen beide Parteien und K nimmt eines der Exemplare an sich.
In den von V standardmäßig verwendeten Verkaufsbedingungen ist folgende Klausel enthalten:
„Die Gewährleistung für dem Verkäufer unbekannte oder ihm ohne grobe Fahrlässigkeit verborgen gebliebene Sachmängel wird ausgeschlossen.
Die Haftung für Schäden aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit bleibt jedoch unberührt.“
K zahlt den Lkw und holt diesem am 16.07.2019 ab. Noch bevor K den Lkw in ihrem Unternehmen zum Einsatz freigibt und in Betrieb nimmt, wird am 17.07.2019 bei einer gründlichen Inspektion festgestellt, dass bei dem Lkw die Anzeige des Kilometerstandes manipuliert worden ist und das Fahrzeug bei Übergabe an K tatsächlich mindestens bereits 200.000 km gefahren wurde. Diese Manipulation ist aber bei einer normalen Besichtigung auch für Fachleute nicht erkennbar. Nach dem 17.07.2019 verlangt K von V also telefonisch die teilweise Rückzahlung des Kaufpreises im Umfang von 45.000,00 Euro. K macht hier zutreffend geltend, dass das Fahrzeug aufgrund des deutlich höheren Kilometerstandes nur 50.000,00 Euro wert sei. Über die Nachricht von der Manipulation ist V bestürzt und erklärt wahrheitsgemäß, hiervon nichts gewusst zu haben, und verweist auf die Ausschlussklausel in seinen Verkaufsbedingungen. K hingegen ist der Auffassung, dass diese Bedingungen gar nicht gültig vereinbart worden seien und V außerdem nicht etwas zusagen und zugleich dafür die Haftung ausschließen könne.

Teil II:
Da K auch Interesse an weiteren Fahrzeugen aus dem Angebot des V geäußert hat, möchte V die K als Kundin keinesfalls verlieren. Er verfügt allerdings nicht über ausreichend liquide Mittel, um K die 45.000,00 Euro zurückzuzahlen. Dies legt er K gegenüber auch offen. Diese beharrt jedoch auf ihrer Forderung und verlangt, dass V ihr als Ausgleich eine Sicherheit für ihren Zahlungsanspruch einräumt. V zweifelt zwar am Bestehen eines Anspruchs auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises, erklärt sich aber dennoch damit einverstanden, der K zur Sicherung der geltend gemachten Forderung eine auf diesen Betrag lautende Briefhypothek an seinem Grundstück mit der Flurstück-Nr. 1333 zu bestellen. Durch ein Versehen des Grundbuchamtes wird am 14.08.2019 die Hypothek zu Gunsten der K im Grundbuch an dem ebenfalls im Eigentum des V stehenden Grundstück mit der Flurstück-Nr. 1334 eingetragen, wobei auch der von V an K ausgehändigte Hypothekenbrief eine Hypothek am Grundstück Flurstück-Nr. 1334 ausweist. Anders als V fällt K das Versehen sofort auf, es ist ihr aber gerade recht, weil sie das Grundstück Flurstück-Nr. 1334 für deutlich wertvoller hält.
Wider Erwarten zerschlagen sich in der Folge recht schnell die geplanten weiteren Verkäufe durch V an K. Im September 2019 beschließt K, die auf dem Grundstück mit der Flurstück-Nr. 1334 eingetragene Hypothek an ihren Bruder B, einen auf Immobilienrecht spezialisierten Rechtsanwalt, abzutreten, weil sie ihm noch 45.000,00 Euro schuldet. Dabei legt sie dem B gegenüber das Versehen des Grundbuchamtes offen. K und B einigen sich über die „Abtretung der Hypothek“, wobei die Erklärung des K notariell beglaubigt wird un K den Hypothekenbrief an B aushändigt. Eine Eintragung des B als Inhaber der Hypothek im Grundbuch erfolgt jedoch nicht.
Noch im September 2019 tritt B seinerseits die „Hypothek“ unter Übergabe des Hypothekenbriefes an die C ab, der er wiederum 45.000,00 Euro schuldet und die nichts von dem Versehen des Grundbuchamtes weiß und von B auch hierüber nicht aufgeklärt wurde. Zudem händigt B der C eine mit seiner Unterschrift versehene schriftliche Erklärung über die „Abtretung der Hypothek“ aus.
C tritt im September 2019 an V heran und verlangt Zahlung der 45.000,00 Euro. Falls dieser nicht zahle, werde sie aus der Hypothek vorgehen.

Vermerk für die Bearbeitung:
Beide Teile der Aufgabe sind zu bearbeiten. In einem Gutachten, das -gegebenenfalls hilfsgutachtlich- auf alle aufgeworfenen Rechtsfragen eingeht, sind in der vorgegebenen Reihenfolge folgende Fragen zu beantworten:

Zu Teil I:
Kann K von V Zahlung von 45.000, 00 Euro verlangen?
Etwaige Schadensersatzansprüche und Ansprüche auf Herausgabe oder Ersatz von Nutzungen bleiben bei der Bearbeitung außer Betracht.

Zu Teil II:
Unterstellt, K stand im Zeitpunkt der Eintragung der Hypothek ein Zahlungsanspruch auf teilweise Rückzahlung des Kaufpreises iHv 45.000, 00 Euro gegen V zu:
1. Kann C im September 2019 von V Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück mit der Flurstück-Nr. 1333 oder mit der Flurstück-Nr. 1334 verlangen?
2. Kann C im September 2019 von V Zahlung iHv 45.000, 00 Euro verlangen?