Bei dem nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom April 2017 im ersten Staatsexamen in Brandenburg. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsfach: Zivilrecht
Gedächnisprotokoll:
Die Eheleute M und F haben sich stark gestritten. Um der F aus dem Weg zu gehen, will M den Abend in einer Bar verbringen. Jedoch fehlt ihm dazu das Geld. Also nimmt er den Plattenspieler, der einen Wert von 3000 Euro hat und dem ihm sein Vater noch vor der Hochzeit geschenkt hat, und verkauft den Plattenspieler an den bis dahin unbekannten D für 1500 Euro. Der Plattenspieler wurde zuvor jeden Abend benutzt, da die Eheleute sehr musikverliebt sind und darauf ihre Opern-Platten hören.
Als F davon erfährt, ist sie empört. M habe nach dem Gesetz der Ehe kein Recht dazu. Sie fordert von D die Herausgabe des Plattenspielers. Dass D nicht wusste, dass M verheiratet ist, täte nichts zur Sache. D, der ein Schnäppchen gemacht hat, verweigert ihr die Herausgabe. Wenn er den Plattenspieler herausgebe, dann nur an M und nur, wenn M ihm seine 1500 Euro zurückgebe.
Frage 1: Kann F von D die Herausgabe des Plattenspielers verlangen und wenn ja, an wen?
Frage 2: Kann M von D die Herausgabe des Plattenspielers verlangen?
Frage 3: Unterstellt, M hat einen Herausgabeanspruch gegen D, kann F diesen geltend machen und wenn ja, an wen?
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: Anspruch des M gegen gegen D auf Herausgabe
A. § 985 BGB
I. Besitz des D
(+), § 854 I BGB
II. Eigentum des M
1. Ursprünglich: M
2. Eigentumserwerb des D von M, § 929 S. 1 BGB
a) Einigung (+)
b) Übergabe (+)
c) Einigsein (+)
d) Berechtigung
Hier: M Eigentümer, aber Verfügungsbeschränkung des § 1369 BGB
aa) Ehe (+)
bb) Zugewinngemeinschaft (+)
cc) Haushaltsgegenstand
Hier: Plattenspieler
dd) Eigentum des M (+)
ee) Keine Einwilligung bzw. Genehmigung (+)
e) Gutgläubiger Erwerb vom Nichtberechtigten, §§ 929 S. 1, 932 BGB
(-); Arg.: absolute Verfügungsbeschränkung; Unkenntnis des D unbeachtlich
III. Kein Recht zum Besitz des M, § 986 BGB (+)
IV. Keine Einrede
-> § 273 BGB bzgl. des an M gezahlten Kaufpreises (+)
V. Ergebnis: (+), aber nur Zug um Zug gegen Rückzahlung des Kaufpreises
B. § 812 I 1 1. Fall BGB
I. Etwas erlangt
Hier: Besitz (nicht: Eigentum, s.o.)
II. Durch Leistung des M (+)
III. Ohne Rechtsgrund
Hier: Kaufvertrag nichtig; Arg.: § 1369 BGB gilt auch für das schuldrechtliche Geschäft
IV. Rechtsfolge: Herausgabe
V. Kein Ausschluss
-> Saldotheorie: nur Zug-um Zug gegen Rückerstattung des Kaufpreises
C. Sonstige Herausgabeansprüche (-)
Frage 2: Geltendmachung des Anspruchs des M durch F
A. Herausgabe, § 985 BGB
(+); Arg.: §§ 1369 III, 1368 BGB
-> Und zwar an den M und an sich selbst (andere Ansicht – Herausgabe an beide gemeinschaftlich oder an einen Sequester – vertretbar)
– Problem: Zurückbehaltungsrecht des D gegenüber F aufgrund des an M gezahlten Kaufpreises, § 273 BGB
– aA: (+); Arg.: „Waffengleichheit“
– hM: (-); Arg.: Geld „flüchtig“; D kann sich an M halten
B. § 812 I 1 1. Fall BGB
– Problem: Anwendbarkeit des § 1368 BGB auf § 812 I 1 1. Fall BGB
– aA: (-); Arg.: Wortlaut („Rechte aus der Unwirksamkeit der Verfügung“)
– hM: (+); Arg: erfasst nach Sinn und Zweck auch Rechte aus der Unwirksamkeit des Verpflichtungsgeschäfts
-> Und zwar an M und an sich selbst
-> Keine Saldotheorie; Arg.: Kein faktisches Synallagma
Frage 3: Gerichtliche Geltendmachung durch M
Ja, § 1368 BGB. Gesetzlich geregelter Fall der Prozessstandschaft, d.h. Geltendmachung fremder Rechte im eigenen Namen.