Bei den nachfolgenden Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom Februar 2019 im ersten Staatsexamen in Hessen. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsfach: Öffentliches Recht
Gedächnisprotokoll:
Eine Mischung zwischen Staatsrecht und Europarecht. Der Einstieg war ein Bund – Länder Streit über eine sogenannte Mängelrüge, wie wir diese in einem Fall ausdrücklich besprochen haben. Nach diesem prozessualen Einstieg musste die Frage erläutert werden, ob das Land berechtigt war diesen Betriebsplan zu erstellen. Dies wäre nicht der Fall, wenn dies gegen Europarecht und oder nationales Recht verstoßen würde. Der Bund hat nach der Föderalismusreform die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz im Umweltrecht und Landschaftspflege. Nach Art 72 Abs. 3 Nr. 3 GG hat das Land eine Abweichungsgesetzgebung.
Aufgrund dieser Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Ländern kann eine EU-Richtlinie sowohl Bundes- als auch Länderzuständigkeiten berühren. Die Umsetzung der Richtlinie durch Bundes- und Länderrecht muss inhaltlich und verfahrenstechnisch kongruent erfolgen. Hier kann es natürlich zu Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern kommen. Diese können die jeweilige Zuständigkeiten für die Umsetzung und auch deren Inhalte betreffen. Aufgrund der verschiedenen Gesetzgebungskompetenzen zwischen Bund und Land, hat der Bund nicht das Recht den Ländern Vorgaben für eine korrekte Umsetzung der EU-Richtlinien zu machen. Auch ein Weisungsrecht beseht nicht. Gegenüber der EU tritt jedoch nicht ein Land, sondern nur die BRD als Gesamtstaat auf. Insofern ist die BRD der EU gegenüber verantwortlich, dass die Richtlinie fehlerfrei umgesetzt wird. Aus dem Bundesstaatsprinzip und dem bundesfreundlichen Verhaltens ist ein Land verpflichtet die Richtlinie korrekte und fristgemäße umzusetzen. Soweit die Länder diese Pflicht verletzen, kann der Bund das BVerfG anrufen, damit diese Pflichtverletzung festgestellt wird. Im Übrigen hat das Land bei einer entsprechenden Pflichtverletzung den Bund von den Folgen dieser Pflichtverletzung freizustellen (Artikel 104a Absatz 6 GG i.V.m. dem Gesetz zur Lastentragung im Bund-Länder-Verhältnis bei Verletzung von supranationalen oder völkerrechtlichen Verpflichtungen Lastentragungsgesetz – LastG]).
Entscheidend war somit die Frage, ob das Land trotz der erlassenen Richtlinie den Betriebsplan erlassen durfte. Hier waren jetzt in der Klausur wieder vertiefte Kenntnisse über die Wirkweisen von Richtlinien entscheidend. Die Besonderheit lag darin, dass die Umsetzungsfrist noch nicht abgelaufen war und somit eine Umsetzung noch nicht erfolgte und erfolgen musste. Es handelt sich um ein sehr schwieriges und sehr konträr diskutiertes Problem der Vorwirkung von Richtlinien. Die Wirkungen von Richtlinien treten im Grundsatz erst mit Ablauf der Umsetzungsfrist ein. Davor sind die Mitgliedstaaten grundsätzlich nicht gebunden, da ansonsten eine Umsetzungsfrist nicht festgesetzt werden müsste. Darin liegt gerade der Sinn und Zweck der Umsetzungsfrist. Muss aber ein Mitgliedstaat ein Richtlinienziel nach Ablauf der Frist erreichen, so dürfen keine Maßnahmen getroffen werden die dieses Ziel im Zeitpunkt der Umsetzung vereiteln würde (Art. 249 Abs. 3 EG/288 Abs. 3 AEUV, effet utile; Gemeinschaftstreue (Art. 10 EG/4 Abs. 3 EU (2007)) ). Die Richtlinie entfaltet also eine Vorwirkung, die man als Frustrationsverbot bezeichnet.
In der Klausur musste jetzt diese Vorwirkung untersucht werden. Es war die Frage zu erörtern, ob durch das Roden irreversible Schäden entstehen würden. Dies musste umfassend diskutiert werden. Ich würde dies bejahen, da anders als bei der Errichtung von Bauwerken, die zurückgebaut werden können, dies bei einer Rodung nicht der Fall ist. Die regelmäßige Umsetzungsfrist beträgt 3 Jahre, eine Neuanpflanzung Jahrzehnte.
Im Ergebnis hätte der Betriebsplan nach meiner Auffassung nicht ergehen dürfen, so dass der Bund – Länder Streit begründet war.
Zum Schluss war nach einem Eilantrag nach § 32 BVerfGG gefragt. Im Rahmen einer vorzunehmenden Folgenabwägung wiegt die Beachtung und die Einhaltung von Europarecht besonders schwer, so dass die Entstehung vollendeter Tatsachen verhindert werden muss, sodass auch dem einstweiligen Eilrechtsschutz stattzugeben war.