Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur zum 2. Staatsexamen – Sachsen-Anhalt vom April 2023

Prüfungsfach:  Zivilrecht

Gedächnisprotokoll:

Verkehrsunfall Anfang September 2022; Kläger macht Ansprüche gegen Beklagten zu 1) und dessen Haftpflichtversicherung (Beklagte zu 2) iHv 6000€ geltend (dieser Anspruch bleibt unstreitig). Beklagter zu 1) erhebt Widerklage gegen den Kläger und dessen Versicherung mit im Ergebnis streitigen Ansprüchen. im Einzelnen: Der Kläger kommt aus einer Richtung und befährt zunächst die linke Spur von zwei Geradeausspuren. Weil sich der Verkehr auf dieser Spur staut, wechselt er auf die freie, rechte Geradeausspur und beschleunigt, als die Ampel auf Grün zeigt, auf 40 km/h, während er in den Kreuzungsbereich einfährt. Der Beklagte kommt von der anderen, gegenüberliegenden Seite und befindet sich auf der Linksabbiegerspur. Nachdem die Ampel auch für ihn Grün zeigt, fährt er in den Kreuzungsbereich ein und hält zunächst im Einmündungsbereich. Die ganze Lage ist eher unübersichtlich, der Beklagte zu 1) verständigt sich aber per Blickkontakt mit dem Fahrzeugführer der linken Geradeausspur, die ja irgendwie ins Stocken geraten war (keiner weiß, warum). Der Beklagte zu 1) fährt also los und will nach links abbiegen, kollidiert aber mit dem klägerischen Fahrzeug, wobei die Parteien unterschiedliche Schadensstellen an den jeweiligen Fahrzeugen beschreiben. Außergerichtlich fordert der Kläger die Beklagten erfolglos zu seinen unstreitig entstandenen Reparaturkosten iHv 6000€ auf und setzt eine Frist bis 14.10.2022. Der Beklagte gibt währenddessen ein SV Gutachten in Auftrag (900€), das die Reparaturbedürftigkeit bejaht, einen Totalschaden indes verneint. Der Beklagte zu 1) entscheidet sich gegen eine Reparatur für 5100€ und für die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs iHv 22.000€, das 54 Tage nach dem Unfall geliefert wird. Der Wiederbeschaffungswert wird im Gutachten mit 12.300€ beziffert und ein Restwert mit 7.500€. Er, der Beklagte zu 1), verkauft den verunfallten Wagen für 6.400€ (?). Er will jetzt mit seiner Widerklage: 22.000€ Neuwagenkosten; 1700€ Nutzungsentschädigung für 54 Tage Nutzungsausfall; die Gutachterkosten iHv 900€; 25€ Kostenpauschale; angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 1000€, wegen „leichter Schulterprellung“ und „Unwohlsein“ Nach Klageerhebung, aber vor Rechtshängigkeit (=Zustellung der Klage bei den Beklagten), zahlt die Beklagte zu 2) dem Kläger 2000€ wegen des Unfalls. iÜ lehnt sie eine Einstandspflicht ab. Der Kläger erklärt daraufhin den Rechtsstreit für iHv 2000€ für erledigt, die Beklagten widersprechen. Letzteres veranlasst den Kläger, die Klage nunmehr, weil die Beklagten nicht zustimmen würden, die Rücknahme der Klage zu erklären. I. prozessuale Vorfragen -> 128 II ZPO Entscheidung ohne müV nach Einverständnis der Parteien -> Auslegung der Erledigungserklärung bzw. Rücknahmeerklärung II. Zulässigkeit der Klage beachte 261 III Nr.2: LG bleibt zuständig, auch wenn nach der Erklärung Streitwert von 6000€ auf 4000€ gesunken III. Begründetheit der Klage (P) Haftungsquote (eine 100:0 Entscheidung kann nicht gewollt gewesen sein, denn zu den streitigen Ansprüchen des Beklagten zu 1) wäre man bei Annahme 100:0 ja nicht gekommen) IV. Zulässigkeit der Widerklage (P) Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage (P) Schmerzensgeldantrag zulässig angesichts der dürftigen Angaben des Beklagten zu 1)? V. Begründetheit der Widerklage (angeknüpft an die oben ausgeworfene Quote stand Haftung – auch des Kläger – dem Grunde nach ja fest, hier also RF §§ 249 ff. relevant) (P) Abrechnung auf Neuwagenbasis (das wohl kaum) (P) Nutzungsausfallschaden -> Anmerkung: der Beklagte zu 1) befand sich unstreitig ab dem Tag nach dem Unfall bis einen Tag vor der Lieferung seines neuen Fahrzeugs für ein Forschungsprojekt in Brasilien. (P) Gutachterkosten -> angemessen? Kläger bestreitet, ohne konkrete Einwendungen vorzubringen. (P) Kostenpauschale 25€ VV, Streitwert & Kostenentscheidung erlassen. Letzteres etwas schwierig, weil ja in Bezug auf die Erledigungs- bzw. Rücknahmeerklärung ein integrierter Kostenausspruch erfolgt (§ 91a bzw. § 269 III 3). Ich habe einfach am Ende der Entscheidungsgründe thematisiert, dass der Beklagte in Bezug auf die auf den für erledigt erklärten Teil in Höhe von 2000€ entstandenen Kosten erstattungspflichtig ist, weil er sich in Verzug befand (Aufforderungsschreiben des Klägers blieb ja erfolglos). Von dieser Notlösung angesichts Planlosigkeit & Zeitablauf bin ich aber selbst nicht überzeugt 😉

Bei den obigen Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom April 2023 im zweiten Staatsexamen in Sachsen-Anhalt. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.