Prüfungsfach: Öffentliches Recht
Gedächtnisprotokoll:
Die Bewegung „Fridays for future“ meldete mit Schreiben eine Versammlung unter dem Motto „Krisen endlich ernst nehmen – Dauermahnwache“ als sog. „Klimacamp“ auf dem Rathausvorplatz in Saarbrücken an, die im März beginnen und unbefristet werden soll, bis die Umstände ein Ende erlauben. Es wurde eine voraussichtliche Anzahl von 20 Teilnehmern angemeldet. Als Ergebnis verschiedener Kooperationsgespräche zwischen den Beteiligten wurde die Anmeldung mit Schreiben der Stadt Saarbrücken modifiziert, insbesondere wurde die Versammlung auf einen Platz neben dem Rathaus verlegt. Mit dem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid des Antragsgegners wurde die erfolgte Anmeldung der oben näher bezeichneten Versammlung unter freiem Himmel bestätigt. Die Durchführung der Veranstaltung wurde gem. § 15 VersammlG von den unter den Ziffern 1. bis 11. angeführten Auflagen abhängig gemacht. Es erfolgte eine Beschränkung der Versammlungsfläche auf 144 m2 (Ziff. 1). Des Weiteren untersagt wurden die Verwendung von Zelten, Pavillons, Überdachungen, Sitzgelegenheiten (Ziff. 3), sowie das Übernachten auf der Versammlungsfläche (Ziff. 4). Zur Begründung der in Ziff. 1 verfügten Verkleinerung der Versammlungsfläche auf auf 144 m2 wurde ausgeführt, die angemeldete Versammlungsfläche liege laut dem Brandschutzplan zwischen einer ausgewiesenen Brandsammelstelle für die Nutzer des Rathausgebäudes und der angrenzenden Stadtbibliothek und einer eingetragenen Feuerwehrzufahrt. Eine Teilfläche der Versammlungsfläche liege zudem unmittelbar auf der ausgewiesenen Brandsammelfläche. Eine Umlegung der eingetragenen Fläche nach dem Brandschutzplan sei nicht ohne weiteres zulässig. Bei der Fläche von ca. 144 m2 fänden die angemeldeten Teilnehmer/Innen ausreichend Platz. Die Befristung der Versammlung sei angemessen, um das Versammlungsinteresse des Antragstellers zu verfolgen. Die in Ziffer 3 der angegriffenen Verfügung erfolgte Untersagung der Verwendung von Zelten, Pavillons, Überdachungen, Sitzgelegenheiten und jeglichen weiteren Utensilien, die dem Campen dienen, begründete der Antragsgegner damit, dass es sich bei Einsatz und Verwendung der Campingutensilien im Rahmen der Versammlung um straßenrechtliche Sondernutzung nach § 18 Abs. 1 SStrG handele. Diese Aufbauten seien nicht vom Schutzbereich der nach Art. 8 GG gewährleisteten Versammlungsfreiheit umfasst. Im Hinblick auf das in Ziff. 4 angeführte Übernachtungsverbot auf der Versammlungsfläche heißt es, gem. § 9 Abs. 1 der Polizeiverordnung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung auf Straßen und in Anlagen der Landeshauptstadt Saarbrücken seien in öffentlichen Anlagen und Straßen das Übernachten und Zelten verboten. Auch sei das Lagern und Nächtigen im öffentlichen Verkehrsraum im Rahmen einer Versammlung nicht vom Schutzbereich des Grundrechts der Versammlungsfreiheit gedeckt. Bereits im Kooperationsgespräch und beim Ortstermin hätten die Veranstalter mitgeteilt, dass nicht beabsichtigt sei, nachts versammlungsrechtliche Aktionen durchzuführen. Gegen die Auflagen in den Ziffern 1, 3 und 4 des Bescheids des Antragsgegners hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und am selben Tag beim Verwaltungsgericht einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gestellt. Zur Begründung seines Eilrechtsschutzantrags hat der Antragsteller im Wesentlichen geltend gemacht, im Bereich des Versammlungsrechts sei die Prüfung nicht nur auf eine summarische Beurteilung beschränkt. Vielmehr müsse das verwaltungsgerichtliche Eilverfahren angesichts der Zeitgebundenheit von Versammlungen zum Teil Schutzfunktionen übernehmen, die sonst das Hauptsacheverfahren erfülle. Die flächenmäßige Beschränkung der Versammlungsfläche sei nicht durch eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung erforderlich. Vielmehr hätten sowohl die Berufsfeuerwehr als auch das Bauaufsichtsamt keine Bedenken gegen die Versammlung auf den angemeldeten Flächen geäußert. Einer Anpassung des Brandschutzplans bedürfe es daher nicht. Zudem sei die Fläche ohnehin stark frequentiert, so dass 20 Teilnehmer der Versammlung offensichtlich nicht ins Gewicht fielen. Im Hinblick auf die Auflage in Ziffer 3 gehe der Antragsgegner zu Unrecht davon aus, dass die Verwendung von Zelten etc. – wie angemeldet – nicht vom Schutzbereich des in Art. 8 Abs. 1 GG gewährleisteten Versammlungsrechts umfasst sei. Es sei zu berücksichtigen, dass die Veranstalter einer Versammlung berechtigt seien, selbst darüber zu bestimmen, was sie zum Gegenstand öffentlicher Meinungsbildung machten und welcher Formen der kommunikativen Einwirkung sie sich bedienen wollten. Zweck der angemeldeten Versammlung in Form eines inzwischen in vielen Städten als Mittel der Werbung für eine nachhaltige klimapolitische Wende in der Bundesrepublik durchgeführten „Klimacamps“ sei es, die Öffentlichkeit auf die derzeitige klimapolitische Situation aufmerksam zu machen und dadurch auf eine Verbesserung dieser Situation hinzuwirken. Gerade die ununterbrochene Dauer der Veranstaltung sei geeignet, besondere Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit zu erregen. Demgemäß falle auch das dauerhafte Campieren auf einem öffentlichen Platz unter den Schutzbereich des Versammlungsgrundrechts, da der inhaltliche Bezug zum Versammlungsthema offensichtlich gegeben sei. Auch das Verwenden von stationären Einrichtungen wie Zelten, Pavillons etc. lasse die Versammlungseigenschaft der angemeldeten Veranstaltung nicht entfallen. Eine Bewertung der Eignung oder der Sinnhaftigkeit der Versammlung sowie der in ihrem Rahmen geplanten versammlungsspezifischen Aktionen und Ausdrucksformen stehe dem Antragsgegner nicht zu. Art. 8 Abs. 1 GG schütze demzufolge auch infrastrukturelle Ergänzungen der Versammlung, sofern sie funktional versammlungsspezifisch eingesetzt würden. Bei den „Klimacamps“ handele es sich inzwischen um eine zunehmend im politischen Meinungskampf verwendete Protestform. Der Sinn sei die öffentlichkeitswirksame ununterbrochene Darstellung der Ziele der Veranstaltung und das entsprechend persönliche Eintreten der Versammlungsteilnehmer über diesen Zeitraum hierfür. Die Notwendigkeit, dafür entsprechende infrastrukturelle Einrichtungen zur Verfügung zu stellen, ergebe sich daher von selbst. Die Funktion für die öffentliche Meinungskundgabe bestehe gerade in der dauerhaften Durchführung der Veranstaltung. Aus den gleichen Gründen sei auch das Verbot des Übernachtens, welches in Ziff. 4. des angegriffenen Bescheids verfügt worden sei, weder durch eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung noch durch die im Bescheid zitierte Polizeiverordnung gedeckt. Bearbeitervermerk: Die Entscheidung des Gerichts ist anzufertigen.
Bei den obigen Klausurprotokoll handelt es sich um das Gedächtnisprotokoll einer echten Klausur vom August 2022 im zweiten Staatsexamen im Saarland. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.