Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Anforderungen an eine Austauschpfändung bei unpfändbarem Pkw (BGH in NJW-RR 2011, 1366) (BGH; Beschluss vom 16.06.2011 − VII ZB 114/09). Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Unterliegt eine Sache nach § 811 ZPO dem Pfändungsschutz, so kann gleichwohl nach § 811a ZPO vom Gericht eine Austauschpfändung zu gelassen werden.
I. Pfändungsschutz nach § 811 ZPO
Nach § 811 ZPO unterliegen solche Gegenstände nicht der Pfändung, die der Schuldner für seine Lebensführung, seine Berufstätigkeit oder für den Unterhalt seiner Familie benötigt. Hierzu gehören z.B.:
· persönliche Gegenstände und Hausrat (§ 811 I Nr. 1 ZPO),
· Nahrungs- Befeuerungs- und Beleuchtungsmittel für 4 Wochen (§ 811 I Nr. 2 ZPO),
· bei Personen, die aus ihrer körperlichen oder geistigen Arbeit oder sonstigen persönlichen Leistungen ihren Erwerb ziehen, die zur Fortsetzung dieser Erwerbstätigkeit erforderlichen Gegenstände (§ 811 I Nr. 5 ZPO),
· Dienstkleidungsstücke sowie Dienstausrüstungsgegenstände, soweit sie zum Gebrauch des Schuldners bestimmt sind, sowie bei Beamten, Geistlichen, Rechtsanwälten, Notaren, Ärzten und Hebammen die zur Ausübung des Berufes erforderlichen Gegenstände einschließlich angemessener Kleidung (§ 811 I Nr. 7 ZPO).
II. Voraussetzungen der Austauschpfändung
Ist eine Pfändung nach § 811 ZPO unzulässig, so hat der Gläubiger in den in § 811a ZPO vorgesehenen Fällen die Möglichkeit, dem Schuldner statt der geschützten Sache eine dem gleichen Zweck dienende Sache zur Verfügung zu stellen. Dies kommt in Betracht, wenn die geschützte Sache einen höheren mutmaßlichen Versteigerungserlös erzielen wird als die Austauschsache wert ist.
Beispiel: Der Schuldner besitzt einen LCD-Fernseher im Wert von 10.000,00 €. Da es sich hierbei um das einzige Fernsehgerät in seinem Haushalt handelt, besteht nach § 811 I Nr. 1 ZPO Pfändungsschutz. Der Gläubiger hat aber die Möglichkeit, dem Schuldner einen preiswerten, auch gebrauchten Austauschfernseher durch den Gerichtsvollzieher zur Verfügung zu stellen, um dann auf den LCD-Fernseher zugreifen zu können. Relevant ist allein, dass der Schuldner sein Informationsbedürfnis durch das Austauschgerät in gleichwertiger Weise befriedigen kann.
Zur Vornahme einer Austauschpfändung bedarf es nach § 811a II ZPO allerdings einer gerichtlichen Entscheidung durch das Vollstreckungsgericht. Dieses prüft nicht nur, ob dem Schutzzweck durch den Austauschgegenstand hinreichend Rechnung getragen wird, sondern auch, ob zu erwarten ist, dass der Vollstreckungserlös den Wert des Austauschgegenstandes erheblich übersteigen wird.
Um zwischenzeitliche Vereitelungsversuche des Schuldners zu verhindern, kann der Gerichtsvollzieher allerdings auch ohne vorherige gerichtliche Entscheidung nach § 811b I ZPO eine vorläufige Austauschpfändung vornehmen, wenn die Zulassung durch das Gericht zu erwarten ist. Allerdings ist der Gläubiger dann gehalten, binnen zwei Wochen einen entsprechenden Beschluss des Vollstreckungsgerichts nach § 811a II ZPO herbeizuführen, anderenfalls muss der Gerichtsvollzieher die Pfändung nach § 811b II ZPO wieder aufheben.
Beispiel: Der Gerichtsvollzieher hat vom Gläubiger einen Sachpfändungsauftrag erhalten. Bei Begehung der Wohnung fällt ihm der 10.000,00 € teure, neue LCD-Fernseher auf. Er geht davon aus, dass der Gläubiger an einer Austauschpfändung interessiert ist und der Zustimmung des Gerichts keine Hindernisse entgegenstehen. Daher kann er auch sofort den betreffenden Fernseher pfänden. Hat er den Gläubiger entsprechende informiert und legt dieser ihm nicht binnen 2 Wochen einen entsprechenden Beschluss des Gerichts vor, muss der Gerichtsvollzieher die Pfändung des Fernsehers wieder rückgängig machen. Geschieht dies nicht, so kann der Schuldner Erinnerung nach § 766 ZPO einlegen.
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) November 2011