Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Unanwendbarkeit des Täter-Opfer-Ausgleichs bei § 315b StGB (BGH; Urteil vom 04.12.2014 – 4 StR 213/14). Die Entscheidungsbesprechung wird heute mittag veröffentlicht.
Prüfungswissen: Der Täter-Opfer-Ausgleich nach § 46a StGB (vgl. Schmuck/Pinger, § 46 a StGB – Grundlagen und Verteidigungsansätze in SVR 2013, 253)
I. Rechtsnatur des Täter-Opfer-Ausgleichs
Der Täter-Opfer-Ausgleich stellt gem. § 46 a StGB einen vertypten Strafmilderungsgrund dar. Er kann zur Senkung des Strafrahmens über § 49 I StGB führen oder einen minder schweren Fall begründen. Als die speziellere Regelung ist § 46 a StGB von der möglichen Strafmilderung im Rahmen der Strafzumessung nach § 46 II StGB als Folge von Ausgleichsbemühungen des Täters nach der Tat zu unterscheiden. § 155a StPO stellt die prozessuale Grundnorm für die Anwendung dar. Die Norm ist als Soll-Vorschrift ausgestaltet, um einerseits eine verstärkte Anwendung des Täter-Opfer-Ausgleichs in der Praxis zu erreichen, andererseits aber einer flexiblen und dem Einzelfall angemessenen Erledigungspraxis nicht entgegenzuwirken. Praktische Folge dieser gesetzgeberischen Gestaltung des § 155a StPO ist, dass sich der Verteidiger selbst (möglichst früh) um einen Täter-Opfer-Ausgleich bemühen sollte, da sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Gerichte bei der Anwendung/Anregung eines Täter-Opfer-Ausgleichs eher zögerlich sind.
II. Geeignete Deliktsnatur und Inhalte
Die Anwendung der Norm ist gesetzlich nicht auf bestimmte Delikte beschränkt.
Nach der Rechtsprechung sind auch schwere Gewaltdelikte, insbesondere Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung, nicht prinzipiell vom Täter-Opfer-Ausgleich ausgeschlossen. Des Weiteren sind auch Vermögensdelikte geeignet, den Anwendungsbereich zu eröffnen. Ausschlaggebend ist die Frage nach der „Schadenswiedergutmachung“. Unverzichtbar ist nach dem Grundgedanken des Täter-Opfer-Ausgleichs eine von beiden Seiten akzeptierte ernsthaft mitgetragene Regelung. Die Eigentümlichkeit der Deliktsnatur wird durch den Gesetzeszweck des § 46a StGB in den Hintergrund gerückt. Der Gesetzgeber intendiert einen kommunikativen Prozess zwischen Täter und Opfer, der auf einen umfassenden Ausgleich der durch die Straftat verursachten Folgen gerichtet sein muss. Letztendlich darf der kommunikative Prozess nicht auf die Vereinbarung einer „Geldzahlung“ reduziert werden. Wichtig ist die Befriedung der entgegenstehenden Positionen. Aus der Zielsetzung der Norm und dem gesetzgeberischen Willen ist abzuleiten, dass jede Form der kommunikativ erzielten Einigung ausreichen muss, sei es Geldzahlung, Entschuldigung, eine Erklärung oder eine Sachverhaltsaufklärung (jeweils wenn das „Opfer“ annimmt und nicht mehr verlangt). Ist das „Opfer“ befriedigt und erklärt dies auch, muss der Täter-Opfer-Ausgleich als erfolgreich – weil friedenstiftend – angesehen werden.
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) März 2015