Hinweis: Einführung zu der Entscheidungsbesprechung: Nutzung einer Stadthalle für Bundesparteitag (VGH Mannheim; Beschluss vom 16.10.2014 – 1 S 1855/14). Die Entscheidungsbesprechung (mit Jura-Lernvideo) wird heute mittag veröffentlicht.
Prüfungswissen: Zugang zur kommunalen Einrichtung
1. Handelt es sich bei den Anspruchstellern um Einwohner der Gemeinde?
Der kommunalrechtliche Benutzungsanspruch steht nur den Einwohnern zu, die selbst und mittelbar die gemeindlichen Einrichtungsleistungen in Anspruch nehmen wollen. (OVG Münster, NVwZ 84, 665).
Über die engen Grenzen des § 8 II GO hinaus ist ein Zulassungsanspruch sonstiger Interessenten vom Widmungszweck der Einrichtung abhängig.
2. Liegt eine öffentliche Einrichtung vor?
Der Begriff der öffentlichen Einrichtung in § 8 II GO ist weit gefasst und umfasst alle Sachen im weitesten Sinn, welche die Gemeinde den Einwohnern zur Nutzung zur Verfügung stellt (= öffentl. Sache).
Hierbei ist eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde nicht nur die von der Gemeinde selbst unterhaltene, sondern auch die von einem rechtlich verselbständigten Träger betriebene öffentliche Einrichtung, sofern die Gemeinde diesen tatsächlich kontrolliert und dessen Entscheidungen bestimmt. In diesem Fall richtet sich der öffentlich-rechtliche Zulassungsanspruch – auch – gegen den Träger (OVG Koblenz, DÖV 86, 153).
Öffentliche Sachen sind solche Sachen, die
– öffentlichen Zwecken dienen und
– nach öffentlichen Recht zu beurteilen sind.
Eine Sache wird zu einer öffentlichen durch Widmung und tatsächliche Indienststellung.
a) Widmung
Die Widmung ist der Rechtsakt, mit dem eine Sache zur öffentlichen wird. Sie kann erfolgen durch Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung und Verwaltungsakt. Erfolgt sie durch VA liegt ein dinglicher Verwaltungsakt in Form einer Allgemeinverfügung gem. § 35 2 VwVfG vor. Die Widmung bestimmt auch den Inhalt und dem Umfang der Nutzung sowie die Nutzungsberechtigten.
b) Indienststellung
Neben der Widmung ist auch erforderlich, dass die Sache tatsächlich dem Kreis der Nutzungsberechtigten zur Verfügung gestellt wird.
3. Hält sich die Art der begehrten Nutzung im Rahmen des Widmungszwecks?
Der nach der Gemeindeordnung gegebene Zulassungsanspruch zu öffentlichen Einrichtungen der Gemeinde besteht nicht unbeschränkt; er wird durch den Zweck der Einrichtung begrenzt. Die Zulassung zur Benutzung darf jedenfalls abgelehnt werden, wenn diese sich nicht mit dem Zweck der Einrichtung, der durch die Widmung festgelegt wird, vereinbaren lässt (VGH München, NVwZ 82, 120).
Vor dem Hintergrund des Widmungszwecks darf der Inhalt des Benutzungsverhältnisses auch durch Vorgaben nur insoweit eingeschränkt werden, als diese zur Sicherung des Widmungszwecks dienen und den Zulassungsanspruch nicht aushöhlen (VGH Mannheim, NVwZ 95, 813).
4. Kapazitätsvorbehalt / Prioritätsprinzip
Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Zulassung zu einer öffentlichen Einrichtung nur im Rahmen ihrer Kapazität bestehen, ein Recht auf Erweiterung oder Schaffung einer öffentlichen Einrichtung ergibt sich aus der Gemeindeordnung nicht. Die im Rahmen der Zulassung zu treffende Ausweitung ist nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen, insbesondere nach sachlichen Gesichtspunkten und unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes zu treffen (VGH München, NVwZ 82, 120).
Im Regelfall ist dabei nach dem Prioritätsprinzip zu entscheiden, d.h. die zeitliche Reihenfolge der Anmeldung ist ausschlaggebend.
Allerdings gebietet der Gleichheitssatz nicht äußerlich-formalen Schematismus, sondern eine Orientierung an materiell-inhaltlicher Gerechtigkeit. Es ist ermessensfehlerfrei und entspricht sachlichen Gesichtspunkten, wenn bei der Zulassung zu Veranstaltungen (z.B. Markt oder Volksfest) nach dem Prinzip „bekannt und bewährt“ verfahren wird (VGH München, NVwZ 82, 120; OVG Lüneburg, NVwZ 83, 49).
Veröffentlicht in der Zeitschriftenauswertung (ZA) April 2015