Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
5,5 |
Gesamtnote 1. Examen |
6,85 |
Prüfungsgespräch:
Die Prüferin schilderte den „Milchkartonfall“. Der Täter hat in einem Kaufhaus eine CD-Platte aus den Verkaufsregalen genommen und dergestalt in den mitgeführten Einkaufswagen gelegt, dass sie in Kiste Milch verborgen war. Auf diese Weise konnte die CD-Platte, wie vom Täter beabsichtigt, von der Kassiererin nicht gesehen werden. Der Täter bezahlte die Waren mit Ausnahme der CD-Platte und schob den Einkaufswagen danach an der Kassiererin vorbei aus dem Kassenbereich hinaus. Zunächst wurde auf Diebstahl gem. § 242 I eingegangen, wobei vorweg die Wegnahme genaustens definiert wurde. Anschließend ging es darum, ob bereits mit dem Verbringen der CD in den Einkaufswagen eine Gewahrsamsenklave geschaffen wurde. Dies wurde letzten Endes mit der Begründung verneint, dass die Ware nicht nahe genug am Körper getragen wurde und somit nicht in den Tabubereich gelangt ist, welchen den Menschen umgibt, und die Gewahrsamsenklave begründet. Im Folgenden wurde der offensichtlich angelegte Schwerpunkt diskutiert: die Abgrenzung zwischen Wegnahme und Vermögensverfügung bzw. Diebstahl gem. § 242 I und Betrug gem. § 263 I. Es wurden alle relevanten Argumente genannt (nachzulesen in jedem gängigen Lehrbuch) und bei der Notengebung wurde erwähnt, dass wenn man diesen Schwerpunkt nicht erkannt hätte, die Prüfung freilich in den unteren Notenbereich gerutscht wäre. Über die Diskussion hinaus wurde explizit danach gefragt, warum diese Abgrenzung überhaupt relevant sei. Die Antwort hierauf waren etwaige Strafzumessungsvorschriften und Qualifikationen. Der besonders schwere Diebstahl wurde angesprochen, aber die gewerbsmäßige Begehung schnell abgelehnt. Gefragt wurde anschließend, ob es bei Diebesgut wie einer CD (ca. 10 €) noch etwas zu beachten gibt. Als Antwort wurde auf § 243 II als Tatbestandsausschluss und das Antragserfordernis gem. § 248a eingingen. Die Prüferin wollte dabei wissen, ob es bei § 248a eine Grenze und wo diese liebe. Der Prüfling wusste keine Grenze aus dem Kopf und gab an, dass diese wohl im Bereich zwischen 10-50 € liegen müsse. Hiermit gab sich die Prüferin zufrieden. Des Weiteren wurde der zweite große Schwerpunkt des Dreiecksbetrugs diskutiert, wobei auch hier alle relevanten Argumente und Theorien genannt wurde und auch in den Bezug auf diesen bei der Notengebung klar gemacht wurde, dass dieser erkannt werden musst. Zuletzt wurde bei dem Fall auf Folgedelikte wie etwa § 252 eingegangen. Anschließend wurde der Fall abgewandelt, wobei der Täter eine Packung Windeln aufriss, eine Packung Zigaretten darin versteckte und das Loch mit Klebeband zu klebte. Auch hier wurde noch einmal auf die Abgrenzung zwischen Wegnahme und Verfügung und insbes. das sachgedankliche Mitbewusstsein eingegangen. Bei der Frage, welche weiteren Delikte in Frage kommen kamen wir auf Hausfriedensbruch gem. § 123, wobei das tatbestandsausschließende Einverständnis bejaht wurde, da der Täter im vorliegenden Fall nicht als solcher zu identifizieren war (im Gegensatz zu einem maskierten Überfall). Als letztes Delikt wurde die Urkundenfälschung gem. § 267 geprüft. Da die Zeit drängte ist lediglich der Begriff der Urkunde definiert worden und angemerkt, dass es sich bei den Waren in Verbindung mit dem Etikett um eine zusammengesetzte Urkunde handelt. Die Prüfung endete mit der Frage nach den Voraussetzungen der Untersuchungshaft. Hierbei wurde bereits die Nennung von § 112 StPO honoriert und nur oberflächlich die Voraussetzungen genannt.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg im Juli 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.