Prüfungsthemen: Öffentliches Recht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
6,53 |
Gesamtnote 1. Examen |
7,24 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer begann die Prüfung damit, dass er in der Zeitung immer wieder vom Lehrermangel gelesen habe. Schließlich sei der Lehrermangel auch ein rechtliches Problem. Er wollte wissen, was man dagegen tun könne. Zunächst wurde das konkrete Ziel analysiert, das heißt ein Leistungsanspruch gegen den Gesetzgeber. Voraussetzung für eine Leistung ist eine gesetzliche Grundlage. Der Prüfer wollte genauer wissen, warum es diese erfordere. Es wurde mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG argumentiert, das staatliche Gewalt begründet und begrenzt. Demnach ist die vollziehende Gewalt in wesentlichen Bereichen ihres Handelns darauf angewiesen, dass überhaupt eine gesetzliche Grundlage für ihr Handeln besteht (Vorbehalt des Gesetzes).
Aufgrund der Frage, wer denn überhaupt die Staatsgewalt sei, kamen wir auf das Bundesstaatsprinzip, das aus Art. 20 I GG abgeleitet wird. Bei dem Stichwort „Lehrerbesoldung“ wollte der Prüfer genaueres zur Gesetzgebungskompetenz hierzu wissen. Danach Art. 30, 70 I GG die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich bei den Ländern liegt, soweit nicht der Bund nach Art. 70 ff. GG zuständig ist, sollte zunächst eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers ausgeschlossen werden. Zwar kann der Bund im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung nach Art. 74 I Nr. 27 GG tätig werden, allerdings nur im Hinblick auf de Statusrechte und Pflichten der Lehrerinnen und Lehrer. Der Prüfer wollte wissen, ob dies schon immer so sei. Ein Prüfling wusste, dass im Rahmen der Föderalismusreform das Beamtenstatusgesetz geschaffen wurde und der Bund die Gesetzgebungskompetenz seitdem nur noch für das Statusrecht der Beamtinnen und Beamten in den Ländern hat. Daraufhin haben sich die Besoldungshöhen unterschiedlich entwickelt. Es folgte ein kurzer Exkurs zu den realen Auswirkungen bestimmter Maßnahmen, insb. des Abwerbens aus anderen Bundesländern. Nun sollte geklärt werden, woraus sich ein Anspruch ergeben könnte, also ob eine Verletzungshandlung vorliegt oder eine Leistungspflicht greift. Bei der Frage nach einer Rechtsgrundlage wurde der Grundsatz der Trennung der Verfassungsräume von Bund und Ländern angesprochen, der mit dem Grundsatz der Verfassungsautonomie der Länder zusammenhängt. Der Prüfer gab nun vor, dass nur Grundrechte aus dem Grundgesetz geprüft werden sollten. Es wurden sowohl Art. 7 I GG als auch Art. 2 I GG genannt und die Schutzbereiche näher erläutert. Schließlich wusste ein Prüfling, dass das BVerfG ein Recht auf schulische Bildung anerkannt hat, das aus Art. 2 I in Verbindung mit Art. 7 I GG folgt und das Recht von jungen Heranwachsenden gegenüber dem Staat, ihre Entwicklung durch schulische Bildung zu unterstützen und zu fördern begründet.
Daraufhin folgte ein kurzer Exkurs zur Prozessfähigkeit von Minderjährigen im Verfassungsrecht und deren Grundrechtsmündigkeit. Nun wollte der Prüfer wissen, ob im Rahmen eines Unterlassens durch den Gesetzgeber auch eine korrelierende Handlungspflicht vorliegt. Ein Prüfling sagte, dass dies aus der Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat folge. Herr Becker wollte ganz genau wissen, woher das kommt. Hier kam es ihm aber nicht darauf an, dass man das gesamte Wissen zur Statuslehre von Jelinek und der Doppelfunktion der Grundrechte runterbeten konnte, sondern die verschiedenen Ausprägungen schlicht kannte und anwenden konnte. Ein Prüfling diskutierte die subjektiv-rechtliche Funktion des Rechts auf Bildung, dessen Schutzrichtung und inwiefern sich aus dem Leistungsrecht ein Teilhaberecht (derivatives Leistungsrecht), jeweils in Verbindung mit Art. 3 I GG und dem Sozialstaatsprinzip) ableitet. Der Prüfer fragte dann noch nach originären Leistungsrechten. Es folgte die Frage zu der Problematik von Leistungsrechten (also Leistungsansprüchen im Sinne eines Tätigwerdens des Gesetzgebers). Hier wurde angeführt, dass der Staat sonst zum Leistungsstaat würde und wegen der abwehrrechtlichen Funktion eine Umdeutung in Leistungsrechte nur ganz ausnahmsweise zulässig sei, dafür spricht z.B. Art. 6 IV GG und die Tatsache, dass Freiheitsrechte sonst weitestgehend wertlos seien. Zuletzt wollte der Prüfer wissen, ob das Bundesverfassungsgericht im Rahmen seines Prüfungsmaßstabs auch die EMRK-Grundrechte zu beachten hat. Mit der Nennung von Art. 59 II 1 GG und der damit einhergehenden Stellung der EMRK als einfaches Bundesgesetz und der Bindung des BVerfG an Recht und Gesetz nach dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 III GG, woraus eine Auslegung der Grundrechte im Lichte der EMRK folgt, zeigte er sich zufrieden.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Februar 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.