Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Bayern vom Februar 2024

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

10

Endnote

9,74

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: Störung Geschäftsgrundlage Unmöglichkeit

Paragraphen: §275 BGB, §313 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, lässt sich ablenken, Fragestellung klar

Zu Beginn der Prüfung wies der Prüfer darauf hin, dass er mit seinem Prüfungsstil versuche, den Kandidaten möglichst viele Möglichkeiten zu geben, ihr Wissen zu präsentieren. Er prüfe daher in relativ kurzer Abfolge und versuche, lange Pausen zu vermeiden. Wenn man eine Frage nicht wisse, solle man diese deshalb einfach weitergeben. Anschließend wandte sich der Prüfer an die vornotenschwächste Kandidatin und fragte diese, was sie über die Grundsätze vom Wegfall der Geschäftsgrundlage wisse. Die Kandidatin verwies auf die Regelung in § 313 BGB und machte auch Ausführungen zur Ratio von § 313 BGB, die Risiken von bei Vertragsschluss nicht berücksichtigten Umständen angemessen zu verteilen. Sie kam außerdem auf die Fallgruppe der Äquivalenzstörungen zu sprechen, die der Prüfer sodann näher erklärt haben wollte (Störung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung). Auf die Frage nach einer weiteren typischen Fallgruppe im Rahmen des § 313 BGB wurde die Fallgruppe der sog. Verwendungszweckstörungen genannt, auf die er auch hinauswollte. Sodann wandte sich der Prüfer an die nächste Kandidatin (er orientierte sich ebenfalls an der Vornote, d.h. er prüfte aufsteigend nach dieser) und schilderte einen kurzen Fall. Danach haben ein Chemieartikelproduzent und ein weiterer Unternehmer einen Vertrag über den Kauf von Chemieprodukten zum Preis von 2 Mio. Euro geschlossen, die zwei Jahre später geliefert werden sollten. Zum Lieferzeitpunkt verwies der Lieferant auf eine starke Inflation von 20 % über die letzten beiden Jahre und gab gegenüber dem Käufer an, aufgrund der gestiegenen Kosten nur zu einem um 20 % gesteigerten Kaufpreis liefern zu können. Der Prüfer wollte sodann wissen, was der Käuferseite zu raten wäre. Die Kandidatin wollte direkt zu einem möglichen Änderungs-/Rücktrittsanspruch nach § 313 BGB kommen, wurde jedoch vom Prüfer darauf hingewiesen, ob nicht zuvor etwas anderes in Betracht komme. Daraufhin nannte der nächste Kandidat die Auslegung der vertragskonstituierenden Willenserklärungen nach §§ 133, 157 BGB und nannte in diesem Zusammenhang auch das Nominalprinzip, worauf der Prüfer auch hinauswollte (der Vertrag wurde demnach grundsätzlich über 2 Mio. Euro geschlossen, die Geldentwertung bleibt außer Betracht). Anschließend kamen wir auf eine mögliche Unmöglichkeit der Lieferung nach § 275 I und II BGB zu sprechen, wobei der Prüfer erläutert haben wollte, wieso gerade keine Unmöglichkeit nach § 275 II BGB vorliegt (das Gläubigerinteresse steigt gerade mit, sodass kein Missverhältnis vorliegt). Zuletzt prüften wir, ob der Nichteintritt einer massiven Geldentwertung im konkreten Fall Geschäftsgrundlage geworden war, bejahte der Prüfer dies bei einer Inflation von 20 %) und diskutierten die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen. Dabei kam es dem Prüfer insbesondere darauf an, ob im Rahmen des § 313 Abs. 1 BGB eine Pflicht zur Verhandlung angenommen werden kann, und was für und gegen eine solche Pflicht spricht (insb. schwere Justiziabilität). Zum Abschluss bildete der Prüfer noch einen klassischen „Corona-Fall“, d.h. er schilderte die Situation eines Diskothekenbesitzers, der aufgrund einer behördlichen Schließungsanordnung keine Miete mehr zahlen wolle. Nachdem wir geklärt hatten, dass der „Lockdown“ keinen Mangel der Mietsache begründet, kamen wir auch hier auf die Geschäftsgrundlage zu sprechen, wobei der Prüfer noch den Unterschied zwischen einer „großen“ und „kleinen“ Geschäftsgrundlage erläutert haben wollte. Dann war die Prüfung auch schon zu Ende.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern vom Februar 2024 Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.