Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Berlin im September 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im September 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 60
Aktenvortrag 11
Zivilrecht 14
Strafrecht 14
Öffentliches Recht 14
Endpunkte 113
Endnote 10,18

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Klagearten der VwGO und des GG, Ewigkeitsklausel GG

Paragraphen: §42 VwGO, §100 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Zu Beginn seiner Prüfung fragte der Prüfer, welche Klagearten im Verwaltungsprozess denn am Häufigsten vorkommen. Am Häufigsten kommt die Anfechtungsklage vor, dann die Verpflichtungsklage und schließlich die allgemeine Feststellungsklage. Hieran anschließend fragte er, welchen übergeordneten Klagetypus die Klagen angehören. Die Anfechtungsklage ist eine Gestaltungs-, die Verpflichtungsklage eine Leistungs- und die allgemeine Feststellungsklage eine Feststellungsklage.
Dann begann der sehr abstrakte Teil seiner Prüfung – vorab: er prüfte mit uns keinen Fall, sondern stellte ausschließlich abstrakte Fragen – der Prüfer eine wollte wissen, welchem Klagetypus die Normenkontrolle nach § 47 VwGO zuzuordnen sei. Unsere Antworten hierauf waren sehr vage und auch insgesamt waren des Prüfers Rückfragen sehr wirr, so dass keiner von uns wirklich wusste, worauf genau er hinaus wollte. Ich denke er wollte letztlich hören, dass es sich bei der Normenkontrolle nach § 47 VwGO um eine Klage sui generis handelt, da sie sowohl Elemente einer Gestaltungsklage, als auch Elemente einer Feststellungsklage aufweist.
An diese Fragen schlossen sich für der Prüfer, im Vergleich zu den bisherigen Protokollen, sehr atypische Fragen an. Denn nun ging es thematisch um das Verfassungsprozessrecht. Er wollte zunächst wissen, welche Normenkontrollen die Verfassung kennt. Genannt wurden die konkrete und die abstrakte Normenkontrolle. Wir sprachen auch über die Verfassungsbeschwerde. Diesbezüglich waren seine Fragen sehr abstrakt und mitunter schwer verständlich formuliert. Es ging ihm unter anderem um die Frage, wer Verfassungsbeschwerde erheben kann – Jedermann – und, ob es die Verfassungsbeschwerde in der Verfassung schon seit der Schaffung des Grundgesetzes gibt.
Antwort: Nein, dies ergibt sich unter anderem aus dem Umstand, dass die Verfassungsbeschwerde in Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG geregelt ist. In diesem Zusammenhang fragte der Prüfer wie das Konzept Individualverfassungsbeschwerde denn ursprünglich entstanden sei. Antwort: Richterrecht durch das BVerfG. Gleiches gilt für das Verwerfungsmonopol des EUGH. Weiterhin wollte er auch noch das Erfordernis der Rechtswegerschöpfung hören. Im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde sprachen wir zudem darüber welche Arten von Normenkontrollen es grundsätzlich gibt. Die inzidente und die Prinzipale Normenkontrolle. Zwischenzeitlich wollte der Prüfer auch wissen in welchem Bundesland es kein Landesverfassungsgericht gibt. Antwort: Schleswig – Holstein. Er betonte aber, dass wir diese Antwort nicht kennen müssen. Hiernach erörterten wir die Frage, ob denn das Bundesverfassungsgericht schon vor Verkündung einer Norm durch den Bundestag diese verwerfen könne. Dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die Kernkompetenzen des Parlaments und ist unter diesem Gesichtspunkt nicht mit dem Gewaltenteilungsprinzip vereinbar. Weiter wollte der Prüfer wissen, ob es denn möglich ist, dass bestimmte Klagearten auch analog angewandt werden. Ja eine Analogie ist hier u.U. möglich. Er wollte diesbezüglich auch Beispiele hören. Zum Schluss ging es noch um das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Wir sollten uns mit der Frage befassen, ob eine Verfassungsänderung dahingehend möglich sei, dass das Analogieverbot aus der Verfassung gestrichen wird. Eine Verfassungsänderung hat sich am Maßstab des Art. 79 Abs. 3 GG zu orientieren. Bei einer Streichung des Analogieverbots aus der Verfassung würde man in Konflikt mit dem Rechtsstaatsprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG und der Menschenwürde aus Art. 1 GG geraten, trotz des Umstandes, dass das Analogieverbot zunächst unmittelbar aus dem nicht von Art. 79 Abs. 3 GG umfassten Art. 103 Abs. 2 GG hergeleitet wird. Dementsprechend wäre eine entsprechende Verfassungsänderung unzulässig.
Allgemein hat der Prüfer sehr abstrakte Fragen gestellt. Ich persönlich hatte den Eindruck ihm geht es mehr darum, dass die Kandidaten zeigen, dass sie vertretbar juristisch argumentieren können, als dass auswendig gelerntes Wissen wiedergegeben wird. Dennoch denke ich, dass eine erneute ähnliche Prüfung wie die unsere eher unwahrscheinlich sein wird, da wir komplett ohne jeglichen Fallbezug abstrakten – teils verfassungsrechtlichen – Fragen nachgegangen sind. In seinen bisherigen Prüfungen hatte er laut den Protokollen immer zumindest einen konkreten Fallbezug gehabt und die Fragen waren wohl auch eher überwiegend verwaltungsrechtlicher Art. Dementsprechend stellte unsere Prüfung wohl ein gewisses Unikat dar. Dennoch war seine Bewertung wohlwollend.
Viel Erfolg!