Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im Februar 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Als wir in den Prüfungsraum kamen teilte die Prüferin einen Fall aus, der die Überschrift „Der Schwarzfahrer“ trug. Sie las den Fall allerdings auch nochmals vor, damit jeder folgen konnte.
V befindet sich im Zug (von irgendwo nach Frankfurt) und hört dort schon lautes Gerangel in einem anderen Abteil mit einem Fahrgast, dem B, der keine Fahrkarte bei sich hat. Als sie in Frankfurt am Bahnhof ankommen, rennt B vor der Polizei davon. Die Polizei war gerade dabei ihn vorläufig festzunehmen und der B war ihnen entwischt.
V möchte den B, der schwerer und größer ist als er, aufhalten. Dazu stellt er sich einen Meter vom Bahnsteig im B in die Quere. Es kommt zu einem Aufprall, der V landet im Gleisbett, bleibt liegen und muss stationär behandelt werden. B ist nur leicht verletzt.
V verlangt von B Schmerzensgeld i.H.v. 15.000 €.
Die Prüferin fragte, woraus er dies verlangen könne. Wir fingen an mit 823 BGB. Und es wurde nach der Verletzungshandlung des B gefragt, auch was eine Verletzungshandlung sei (muss beherrscht werden und vom Willen getragen). Danach gingen wir auf die Herausforderungsfälle ein und die genauen Voraussetzungen und auch an welcher Stelle diese geprüft werden (haftungsbegründende Kausalität). Dabei sind wir auf die Frage nach dem Schutzzweck der Norm eingegangen und die der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen für die sog. Herausforderungsfälle. Dabei wurde auch 127 StPO diskutiert und durchgeprüft, weil V vielleicht das Recht hatte so zu handeln. Dann musste abgewogen werden, ob die Zweck-Mittel-Relation des Verhaltens von V bestand. Hier wurde viel diskutiert, man konnte wahrscheinlich alles vertreten.
Sie fragte, wie es mit Selbstjustiz im Zivilrecht aussehe und ob diese erlaubt sei. Dabei ging ein Kandidat auf die Rechtswidrigkeit ein, was ihr sehr gefiel.
Danach gingen wir auf den Schaden ein, sowie das Schmerzensgeld (dessen Funktion, wie wird es bemessen, was ist dabei ausschlaggebend).
Danach wurde darüber gesprochen, ob Mitverschulden im Rahmen des Schmerzensgeldes direkt in die Berechnung einfließt (ja) oder über 254. Über die Angemessenheit wurde lange gesprochen und unterschiedlich bewertet, wiederum war an dieser Stelle alles vertretbar.
Sie fragte, was ein Anwalt tun würde, der diesen Anspruch geltend macht. Es Kandidat wies darauf hin, dass zunächst zur Zahlung aufgefordert werden muss, um die Folgen des sofortigen Anerkenntnisses zu vermeiden, und letztlich einen Rechtsstreit zu umgehen. Dann wurde diskutiert, dass das Schmerzensgeld ins Ermessen des Gerichtes gestellt werden kann und wann man bei Angabe eines Mindestbetrages unterliegen würde (wenn das Gericht 20% drunter geht) und aus welcher Norm man das ableiten kann (§92). Dabei wurde noch gefragt, was man dafür für Angaben machen muss. Vor allem die Folgen der Verletzung und die Einschränkung im Leben des Verletzten.