Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im Januar 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 7,71 |
Aktenvortrag | 9 |
Zivilrecht | 12 |
Strafrecht | 15 |
Öffentliches Recht | 15 |
Endpunkte | 9,38 |
Endnote | 9,5 |
Prüfungsgespräch:
Zunächst stellte der Prüfer einen sehr kurzen Fall: Der Gläubiger G hat eine titulierte Forderung gegen den Schuldner S in Höhe von 10000€. Die Zwangsvollstreckung scheitert. S treibt irgendwo 800€ auf und bietet diese dem G an. Was könnte das sein?
Erstmal eine sehr offene Frage, die uns etwas verwirrte. Genannt wurde eine teilweise Erfüllung iHv 800€, ein Anreiz zum Abschluss eines Erlassvertrags nach §397 BGB und ein außergerichtlicher Vergleich. Bei letzterem wollte er wissen, ob man trotz Titel einen Vergleich schließen kann. Ja, wegen der Privatautonomie und weil der Titel keine Pflicht zur Schuldeneintreibung darstellt.
Dann kam ein etwas umfangreicherer Fall, den ich nicht mehr zu 100% wiedergeben kann. Die Chance, dass er diesen Fall nochmal stellt sind aber auch sehr gering, da es sich um einen Fall handelte, den er in der vorigen Woche zu verhandeln hatte.
Er ging ungefähr so: Die Eheleute A und B wollen umziehen und heuern dafür den T an. Sie informieren T darüber, dass sie in ihren Möbeln einen (vielleicht auch mehrere, da bin ich mir jetzt nicht mehr sicher) Speckkäfer gefunden haben. Hier setzte der Prüfer zu einigen Ausführungen über den Speckkäfer an, die leider mehr verwirrten als halfen. Wichtig war, dass der Speckkäfer sich durch alles durchfrisst und sehr viele Larven legt. Ein Schädling also. Der T nahm das zur Kenntnis. A und B schlossen mit T einen Umzugsvertrag. In diesem Rahmen stellte T ihnen 80 Pappkartons zur Verfügung. Nach dem Umzug waren einige von diesen nicht mehr brauchbar, weil der Speckkäfer sich durchgefressen hatte. T wollte nur 80€ von (nur!) von A, je 1€ pro Karton.
Dann wurde die Prüfung sehr unübersichtlich. Er wollte dann einfach mehr dazu hören und wir fingen an recht unstrukturiert Vorschläge zu machen, z.B. dass der T ja von den Schädlingen wusste, also Mitverschulden hatte oder dass nur einige Kisten unbrauchbar waren, T aber Ersatz für alle begehrte. Am Ende löste der Prüfer es selbst auf und meinte der Knackpunkt war hier, dass der Aufwand jeden Karton auf Speckkäfer zu untersuchen komplett außer Verhältnis zum verlangten Ersatz (1€ pro Kiste) stehen würde.
Dazu sollten wir dann was sagen. Zunächst versuchten wir das Vertragsverhältnis genauer zu bestimmen und gingen von einem typengemischten Vertrag aus. Genannt wurden Elemente aus Leihvertrag, Mietvertrag, Werkvertrag und Dienstvertrag. Aber das gefiel dem Prüfer noch nicht. Er meinte „Denken Sie mal etwas weiter!“. Ein Kollege kam dann tatsächlich auf den Frachtvertrag gemäß §407 HGB. Dort ergibt sich ein Aufwendungsersatzanspruch aus §410 II Nr 2.
Dann fragte er noch, ob T wirklich nur die A in Anspruch nehmen kann. Ja, denn A und B sind Gesamtschuldner, §421 BGB. Hat das hier was mit ihrem Status als Ehegatten zu tun? Nein, sie waren beide am Vertragsschluss beteiligt. Wie wäre es, wenn nur A den Vertrag geschlossen hätte? Es könnte ein Fall von §1357 BGB vorliegen. Paradebeispiel für diese Norm? Schulmaterialien für die gemeinsamen Kinder. Wie wäre es, wenn A und B sich trennen wollten und der Umzug dazu dient ihre Lebensgemeinschaft aufzuheben? Dann greift §1357 nicht mehr. Was wäre, wenn ein Ehegatte sich über fast das ganze Vermögen verpflichten will? §1365, wobei nur 90% des Vermögens betroffen sein müssten.
Das war das Ende der Prüfung. Versucht aufmerksam den Sachverhalt zu erfassen. Die Darstellung ist manchmal etwas verwirrend. Ansonsten würde ich raten wirklich alles zu sagen, was euch so in den Sinn kommt. Im schlimmsten Fall entzieht er euch das Wort. Aber bei ihm ist das immer noch besser als zu schweigen.
Viel Glück!