Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg vom Dezember 2017. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Zivilrecht war im Rahmen unserer Prüfung der zweite Teil. Der Prüfer begann die Prüfung mit einem rechtsgeschichtlichen Teil. Hierzu teilte er uns ein Blatt mit mehreren Paragraphen aus dem ersten Entwurf des BGB aus (oben stand 1888 EI, sodass es klar war, woher die Normen stammen). Wie angekündigt ging es im Wesentlichen um die Entstehungsgeschichte des BGB. Den älteren Protokollen und dem Vorgespräch konnten wir ziemlich gut die Fragen entnehmen, die er idR zu diesen Themen stellt. Und so ging es auch bei uns darum, die Entstehung in den geschichtlichen Kontext einzuordnen, also die Entstehung des Deutschen Reiches, Rechtszersplitterung und der Wunsch nach einer Vereinheitlichung des Privatrechts. Hierbei sollte man wissen, wer die Gegner (Savingy) und Befürworter (Thibault) einer einheitlichen Kodifikation waren. Im Folgenden ging es um die Gründung einer Vorkommission und den ersten Entwurf des BGB. Hier sollten v.a. die Kritikpunkte bekannt sein. Der erste Entwurf galt als zu undeutsch, aufgrund seiner Orientierung am römischen Recht. Auch war er eher liberal kapitalistisch und zu wenig sozial; zudem zu abstrakt, i.S.v.. zu unverständlich für das gemeine Volk. Der Prüfer war e hier besonders wichtig die größten Kritiker zu nennen (Otto v. Gierke und Anton Menger). Es folgten Fragen zum zweiten Entwurf und dem Inkrafttreten.
Das ausgeteilte Blatt enthielt Normen des Erbrechts. Wir sollten diese der heutigen Fassung des BGB zuordnen und Unterscheide benennen. Hierbei war auch ersichtlich, dass die testamentarische Erbfolge vor der gesetzlichen Erbfolge geregelt war. Hier wurde dann gefragt, was die Kritiker des ersten Entwurfs hiergegen gesagt haben. Nach intensivem Nachfragen kamen wir dann darauf, dass hier der Kritikpunkt des „zu undeutsch“ greift, da sich in den germanischen Stämmen die Erbfolge grundsätzlich innerhalb der Familie/Sippe hielt. Der Prüfer nannte auch den prägenden Satz: „Das Gut folgt dem Blut“.
Der Prüfer nutzte nun die Zeit um grundsätzliche Fragen zum Erbrecht zu stellen. Es ging um die Systematik, die verschiedenen Arten von Verfügungen von Todes wegen und die Erbfolge. Hier sollte bekannt sein, dass z.B. der Vermächtnisanspruch ein schuldrechtlicher Anspruch ist. Zudem wurde auch auf § 2302 BGB eingegangen, wonach Verträge nichtig seinen, die den Testierwillen einschränken. Hier hat der Prüfer nachgefragt, wie es denn dann mit dem Erbvertrag aussieht. Darauf wurde richtigerweise geantwortet, dass der Erbvertrag kein schuldrechtlicher Vertrag sei.
Im Anschluss teilte der Prüfer uns einen Fall aus. Es ging um einen Herr P., der auf einer Postkarte schrieb, dass er denkt, dass es mit ihm zu Ende geht und seine Frau alles haben soll. Er unterschrieb mit „Dein Panthertier“. Unter der Unterschrift war mit P.S. vermerkt, dass sein Bruder einen Gegenstand haben soll. Es wurde vermerkt, dass die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung gelebt haben. Herr Panther starb. Der Sohn wollte nun die Rechtslage erfahren.
Man sollte hier die Normen §§ 2247, 2087, 2085, 2084, 2147 BGB kennen. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass eine wirksame Einsetzung der Ehefrau als Alleinerbin vorliegt, vgl. §§ 2084, 2087 I BGB. Dass der Erblasser mit einem Kosenamen unterschrieb, schadete nach § 2247 II BGB nicht. Das Vermächtnis an den Bruder (Auslegung nach §§ 2084, 2087 II BGB) ist jedoch unwirksam, da es unter der Unterschrift des Erblassers geschrieben wurde, sodass aufgrund der Abschlussfunktion der Unterschrift, dieses unwirksam ist. Gleichwohl blieb die Alleinerbeneinsetzung der Ehefrau gem. § 2085 BGB wirksam. Nun wurde danach gefragt, was der Sohn erwarten kann. Wir kamen auf den Pflichtteil gem. § 2303 BGB. Der Sohn kann die Hälfte von seinem gesetzlichen Erbteil verlangen gem. § 2303 S. 2 BGB. Gem. § 1931 I 1 BGB, erbt die Ehefrau gesetzlich ein Viertel neben dem Sohn. Gem. § 1931 III BGB i.V.m. § 1414 BGB (Gütertrennung) erben aber im Fall der Gütertrennung die beiden zu gleichen Teilen. Der Sohn hätte also die Hälfte geerbt, sodass sich sein Pflichtteilsanspruch auf ein Viertel belief.
Nun war die Prüfung, die recht lange dauerte (wir waren ja nur zu dritt), vorbei. Alles in allem kann man von einer fairen Prüfung sprechen. Wir hatten ausreichend Gelegenheit zu antworten und der Prüfer stellte gezielte Fragen. Auch wenn man eine Frage nicht direkt beantworten konnte, gefiel es, wenn man einen Gedankengang mitteilte und so doch noch zur richtigen Antwort gelangte. Auch die Notenvergabe war fair. Durch das Vorgespräch und die Unterlagen aus der Vorlesung waren wir recht gut vorbereitet.