Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hamburg vom Juni 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im Juni 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 8.5
Aktenvortrag 16
Prüfungsgespräch 13,5
Endnote 10,29
Endnote (1. Examen) 10,38

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Deliktsrecht, Mehrpersonenverhältnisse

Paragraphen: §7 StVG, §823 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer war als Letzter mit der Prüfung im Zivilrecht an der Reihe, da wir uns mit knapper Mehrheit – insbesondere aufgrund der Lektüre der Vorprotokolle – für diese Reihenfolge entschieden hatten. Nach dem Ende der Prüfung hatten wir allerdings den Eindruck, dass es dem Prüfer nicht unrecht gewesen wäre, wenn wir die zivilrechtliche Prüfung unmittelbar im Anschluss an die öffentlich-rechtlichen Prüfungen und noch vor den strafrechtlichen Prüfungsteil gelegt hätten. Wie sich bereits aus den Vorprotokollen ergibt, kann der Prüfer nicht als protokollfest bezeichnet werden, da er in materiell-rechtlicher Hinsicht einen straßenverkehrsrechtlichen Fall stellte, den er (nach meiner Kenntnis) so oder zumindest so ähnlich noch nie zuvor abgeprüft hatte. Allerdings zeigte sich auch in unserem Prüfungsgespräch das der Prüfer Vorliebe für die Prüfung von Mehrpersonenverhältnissen, da sich anhand dieser Konstellationen die Fähigkeit zu strukturiertem und durchdachtem juristischem Vorgehen besonders gut abprüfen lässt. Zu Beginn der Prüfung stellte der Prüfer dann folgenden Fall: A und B sind jeweils Eigentümer und Halter ihrer Kraftfahrzeuge und planen, absichtlich einen Auffahrunfall zu produzieren, um gemeinsam die Versicherungssumme von der Versicherung des A zu erlangen. Tatsächlich meldet A daraufhin den Schaden seiner Versicherung. Zunächst galt es die einzelnen Beziehungen der Parteien zu ordnen. Gefragt war zunächst nach Ansprüchen des B gegen den A. In Betracht kamen sowohl § 7 Abs.1 StVG als auch § 823 I BGB. Dabei war zu erkennen, dass der Anspruch aus § 823 I BGB aufgrund des Einverständnisses des B wohl ausscheiden dürfte. Dasselbe dürfte im Ergebnis auch für den Anspruch des B gegen den A aus § 7 Abs.1 StVG gelten. Bezüglich des Anspruchs aus § 7 Abs.1 StVG wurde später von einem der Kandidaten argumentiert, dass auch dieser Anspruch ausscheiden dürfte, da die Gefährdungshaftung des § 7 Abs.1 StVG nur bei objektiv rechtswidrigem Verhalten eingreife. Denn der Sinn und Zweck der Gefährdungshaftung bestehe darin, andere Verkehrsteilnehmer vor den zwangsläufig auftretenden, letztlich aber doch ungewollten Gefahren zu schützen, die von dem Kraftfahrzeugverkehr ausgehen. Dieser Zweck greife 2 jedoch bei dem absichtlichen und einverständlichen Verursachen von Auffahrunfällen nicht ein, da die Gefährdungshaftung vor solchen Gefahrenlagen gerade nicht schützen solle. Der Prüfer wollte jedoch diesen Begründungsansatz nicht weiter vertiefen und bemerkte dazu, dass es wohl mehrere Begründungsansätze für einen Ausschluss der Gefährdungshaftung gebe. Im Anschluss daran waren Ansprüche des B gegen die Versicherung des A zu prüfen. In Betracht kam hier eine Haftung nach §§ 7 Abs.1 StVG, 115 I Nr.1 VVG i.V.m. § 1 PflVG. Der Prüfer wollte hier insbesondere das Stichwort der Durchgriffshaftung hören. Zudem wollte er wissen, in welchem Verhältnis die Versicherung des A und A selbst haften und wo dies steht? Antwort: Als Gesamtschuldner, die Gesamtschuldnerschaft ist in § 421 BGB geregelt und die Anordnung der gesamtschuldnerischen Haftung ergibt sich aus § 115 I 4 VVG. Danach stellte der Prüfer allgemeine Fragen aus dem allgemeinen Schadensrecht. Hier prüfte der Prüfer vor allem die Basics ab, insbesondere wo das Schadensrecht geregelt ist (§§ 249 ff. BGB) und fragte immer wieder nach Schlagworten wie etwa dem Grundsatz der Naturalrestitution, dem schadensrechtlichen Bereicherungsverbot sowie der fiktiven Schadensabrechnung, die er auch allesamt erläutert haben wollte. In diesem Zusammenhang diskutierten wir auch über mögliche Anträge in der Klageschrift. Für den Fall, dass ein Übergang von der fiktiven zur konkreten Abrechnung offengehalten werden sollte, sollte an die Möglichkeit eines Feststellungsantrages gedacht und dieser formuliert werden (Einzelheiten hierzu habe ich jedoch leider nicht mehr im Kopf). Schließlich wurden zum Schluss noch Basics zur Verjährung abgefragt – etwa wie lange die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt und wo dies geregelt ist. Antwort: 3 Jahre, §§ 195, 199 I BGB. Zudem kamen wir auf eine Verjährungshemmung durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides (geregelt in § 204 BGB) zu sprechen. Schließlich fragte der Prüfer noch nach der regelmäßigen Verjährungsfrist vor der Schuldrechtsreform. Antwort: 30 Jahre. Insgesamt handelte es sich um eine Prüfung, die mit soliden Grundkenntnissen des bürgerlichen Rechts und verhältnismäßig wenig Prozessrecht gut zu bewältigen war. Auch die Notengebung empfand ich als eher wohlwollend. Ich wünsche Euch zukünftigen Prüflingen viel Glück und Erfolg!! Und denkt daran – Der schwierigste Teil liegt bereits hinter euch.