Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen vom Juni 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Zu Beginn der Prüfung fragte uns der Prüfer nach der Entstehungsgeschichte des BGB. Wir gingen dabei auf die vorherige Rechtszersplitterung ein mit u. a. Code Civil, ALP und ius commune, den Kodikfikationsstreit zwischen Savigny und Thibaut sowie die Reichsgründung 1871, die u.a. den Anlass für eine Rechtsvereinheitlichung gegeben hat.
Daraufhin wollte der Prüfer wissen, wie sich in den Folgejahren der Entwicklungsdruck auf das BGB ausgewirkt ha bzw. weswegen das BGB verändert wurde. Er meinte, es gebe mind. Fünf große Bereiche. Wir nannten Verbraucherschutz, Anpassung an EU-Richtlinien, die Schuldrechtsmodernisierung 2002 sowie Änderungen im Familienrecht aufgrund des gesellschaftlichen Wandels.
Daraufhin diktierte der Prüfer folgenden schlichten Fall: A verleiht B ein Fahrrad. B verschenkt und übereignet dies dem (gutgläubigen) C. Welche Ansprüche hat A gegen B und C. zunächst sollten wir Ansprüche gegen B prüfen. Wir gingen auf den Leihvertrag ein, den wir zunächst zu anderen Rechtsverhältnissen abgrenzen sollten, dann zum bloßen Gefälligkeitsverhältnis (uns fielen v.a. Bedeutung, Wert und Risiko des Geschäfts als maßgebliche Kriterien ein). Ein Rückgabeanspruch aus Leihvertrags war unmöglich. Es verblieb ein Anspruch aus §§ 280 I, III, 283 (der Prüfer wollte in einer Nachfrage die Beweislastumkehr aus § 280 I 2 hören). Daneben bejahten wir einen Anspruch aus §§ 989, 990 I, woraufhin wir Ansprüche ggf. C prüfen sollten. – Vertragliche Ansprüche kamen nicht in Betracht, daraufhin prüften wir einen Herausgabeanspruch aus § 985, diesen mussten wir allerdings, da C gutgläubig und die Sache nicht gem. § 935 verloren gegangen (unfreiwilliger Verlust des unmittelbaren (!) Besitzes) war, verneinen. Dann besprachen wir Ansprüche aus Bereicherungsrecht: Mangels Leistung von A an C schied § 812 I 1 Alt 1 aus. Ein Anspruch aus § 812 I 1 Alt 2 war wg. Vorrangs der Leistungskondiktion als kritisch anzusehen. Wir gingen dann auf § 816 ein, fälschlicherweise erst auf Abs. 1, dann jedoch auf Abs. 2, der dem A einen Anspruch gegen C ermöglichte.
Da immer noch etwas Prüfungszeit verblieb diktierte der Prüfer einen weiteren kurzen Fall: A verleiht dem B ein Wohnmobil für einen Ausflug. B gerät jedoch in einen Unfall. Hinsichtlich der Ansprüche des A gegen B wg. des beschädigten Wohnmobils gingen wir v. a. auf Normen des StVG (§ 7, 18 und auch § 17), verneinten jedoch, dass das Wohnmobil vom Anwendungsbereich der §§ 7, 18 umfasst ist (arg. § 8 Nr. 3 und Gefahrenquelle soll nicht gleichzeitig geschütztes Rechtsgut ein). Dann wandelte der Prüfer den Fall dahingehend ab, dass A unter der Sonnenblende des Wohnmobils einen Notizblock vergessen habe, der in einer Kurve herausfiel und ein Unfall verursachte. Unter Rücksicht auf § 599 BGB verneinten wir einen Schadensersatzanspruch des B gegen A.