Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Hessen vom Juni 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1 2 3 4 5

Note staatl. Teil 1. Examen

8 6 8 9 10

Gesamtnote 1. Examen

8 6 8 9 10

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Verzug, Rücktritt, Rechtsgeschichte, Schadensersatz

Paragraphen: §631 BGB, §283 BGB, §323 BGB, §286 BGB, §281 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein

Prüfungsgespräch:

Es wurde ein Sachverhalt ausgeteilt. In diesem ging es um folgenden Fall: A musste eine Festtagsrede halten, hatte jedoch zugenommen. Daher brachte er seinen Anzug in die Schneiderei des S und erklärte ihm, dass er den Anzug übermorgen um 13 Uhr abhole und er diesen Anzug für die Feststagsrede benötige. Als A zum vereinbarten Termin erschien, war der Anzug noch nicht fertiggestellt, da S getrödelt hatte. A musste sich einen Anzug für 50€ mieten. S schlägt jedoch vor, dass er die Anpassung noch vornehmen lassen könne und verlangt von A Vergütung, da A den Anzug zu einem Anlass tragen könnte. Wie ist die Rechtslage? Es wurde sodann gefragt, welche Anspruchsgrundlagen in Frage kommen würden. Genannt wurde ein Vergütungsanspruch des S aus Werkvertrag sowie ein Schadensersatzanspruch aus Unmöglichkeit und Verzug. Es wurde mit dem Vergütungsanspruch des S gegen A begonnen, indem kurz dargelegt wurde, warum ein Werkvertrag vorliegt. Sodann kamen wir zum Entfall der Gegenleistungspflicht nach § 326 I 1, indem im Zusammenhang mit der Unmöglichkeit diskutiert wurde, was eine Fixschuld ist und ob sie in dem vorliegenden Fall relativer oder absoluter Art sei. Letztlich nahmen wir die relative Fixschuld an. Im nächsten Schritt prüften wir den Rücktritt. Im Anschluss erfolgte eine Prüfung des Verzugs nach § 286. Er fragte, woraus sich noch ein Anspruch auf Schadensersatz geben könnte. Wir kamen auf den § 281 I zu sprechen. Der Prüfer stellte Fragen bzgl. des Aufbaus und der Art (neben/statt der Leistung) der §§ 280ff. Es sollte die Entbehrlichkeit der Fristsetzung nach § 281 II mit der der § 323 II verglichen werden und herausgearbeitet werden, ob die Fixschuld von § 281 II umfasst ist. Aus der Systematik der beiden Paragraphen erschlossen wir, dass die Fixschuld nur von § 323 II Nr. 2 gedeckt sei, sodass die Fristsetzung im Rahmen des § 281 II nicht entbehrlich war. Der Prüfer teilte uns mit, dass der Gesetzgeber dies anders sehe. Hierauf aufbauend wurden wir gefragt, welche Auslegungsmethoden es sonst gebe und ob eine Hierarchie herrsche. Hierzu sollte jeder Prüfling seine Meinung äußern. Als der erste Fall abgeschlossen war, fragte uns der Prüfer nach der Freirechtsschule. Hierzu war nichts bekannt. Er fragte sodann, ob das BGB von einem demokratisch legitimierten Organ erlassen worden sei und welches Organ dies war (Reichstag). Ein Prüfling sollte erläutern, welche Kritik an dem BGB geäußert wurde. Die Frage, wie sich das BGB in der Weimarer Zeit geändert hat und wer diese Veränderung bewirkt hat, war unverständlich gestellt, sodass die Frage nur nach mehrmaliger Wiederholung und Konkretisierung der Frage beantwortet werden konnte. Hierbei wurde er ungeduldig. Wesentliche Veränderungen in der Weimarer Zeit war die Einführung des Miet- und Arbeitsschutzes. Der zweite sachverhalt wurde vorgelesen. G hatte einen alten Fernseher reparieren lassen wollen. Hierzu rief sie M telefonisch an. M schickte den Azubi A mit der Anweisung, dieser soll bei einfachen Fehlern die Reparatur selbst vornehmen, ansonsten solle der Fernseher in die Werkstatt gebracht werden. A erkannte, dass der Fehler nicht einfach zu behebben sei, jedoch wollte er sich beweisen und versuchte für zwei Stunden den Fernseher zu reparieren. Hierbei wurde der Fernseher irreparabel zerstört. G macht gegen M Schadensersatz in Höhe von 1200€ für einen neuen Fernseher geltend. M verlangt, die Vergütung für die von A geleistete Arbeit. Der Prüfer bat uns, mögliche Probleme und Ansprüche aufzuzählen. Diese waren §§ 280 I, III, 283; § 831 I sowie die Problematik zum Erfüllungsgehilfen. Begonnen wurde die Prüfung mit einem Vergütungsanspruch des M, welcher aufgrund Unmöglichkeit erloschen ist. Sodann wurde der Schadensersatzanspruch der G geprüft, indem kurz erläutert wurde, dass A Erfüllungsgehilfe des M sei, sodass sich M dessen Verhalten anrechnen lassen müsse. Der Anspruch wurde bejaht. Der Prüfer fragte, ob sich das auch anders ergeben könnte. Hierfür wurde § 831 I genannt, wonach sich M exkulpieren konnte. Das Worte Exkulpation sollte genannt werden. Insgesamt handelt es sich um eine Prüfung aus dem Schuldrecht AT. Die Prüfung wurde als streng empfunden. Jeder konnte etwas sagen und jedem wurde durch Hilfestellung die Möglichkeit gegeben sich zu beweisen. Er hielt sich an die Reihenfolge und gab gelegentlich Fragen frei.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Juni 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.