Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen vom November 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer stellte keinen Fall sondern fragte zur Eröffnung was denn derzeit für ein BGH-Fall in den Zeitungen stünde ein Prüfling antwortet, dies sei der Fall des KZ-Buchhalters Gröning und dessen Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen. Daraufhin fragte der Prüfer, was wir denn von diesem Urteil hielten und was wir dazu zu sagen hätten. Den Sachverhalt setzte er als bekannt voraus und stellte auch keine konkreten Fragen. Vielmehr gestaltete sich die Prüfung derart, dass der Prüfer den Prüflingen Gelegenheit zum Vortrag und der Einbringung von Ansichten gab. Dies führte dazu, dass der Prüfling selbstständig entscheiden musste wozu er welche Äußerungen tätigte.
Die Prüflinge stellten zunächst die Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Frage und erwogen eine Strafbarkeit wegen Täterschaft. Ohne wirklich stringent zu subsumieren wurde dabei etwas holprig Täterschaft und Teilnahme abgegrenzt und die einschlägigen Theorien benannt. Dies schien dem Prüfer zu Gefallen, er befragte jeden einzelnen Prüfling zu seiner Einschätzung. Daraufhin kam der Prüfer auf die Verjährungsproblematik zu sprechen, wo diese geregelt sei und warum dies gerade beim Mord besonders sein. Die Prüflinge verwiesen auf die Änderung zu den Vorschriften der Verjährung des Mordes, auch die Namen einflussreicher Personen der öffentlichen Debatte zur damaligen Zeit sollten genannt werden.
Die Tatbestandsmerkmale und die Rechtsfolge des Mordes waren Thema des weiteren Prüfungsgespräches, der Prüfer fragte nach Definitionen und Anwendungsbereichen der Tatbestandsmerkmale. Insbesondere wollte er auf die Kombination von aufgezählten Mordmerkmalen und der Generalklausel der „sonstigen niedrigen Beweggründe“ hinaus. Kenntnis der Historie des Mordtatbestandes wurde vertieft vorausgesetzt, der Prüfling führte den Schweizer Entwurf von 1872 an sowie die Debatte 1941 und die Entscheidungen die zum Mord Tatbestand in seiner heutigen Form führten. Insbesondere bei den niedrigen Beweggründen wurde nach der Definition verlangt, dass verschiedene Beispiele genannt werden. Der Prüfling äußerte, dass er dieses Merkmal für das problematischste aller Mordmerkmale halte weil es zu unbestimmt ist, dem Wandel er Zeit unterliege und ideologischer Instrumentalisierung Tür und Tor öffne. Welcher Beweggrund als besonders „niedrig“ gelte sei in höchsten Maße subjektiv.
Zudem wurde über die verschiedene Strafzwecke (Spezial/Generalprävention, Sühne usw.) gesprochen, das Schuldprinzip sowie die Frage ob die Lebenslange Freiheitsstrafe als Rechtsfolge des Mordes verfassungsgemäß sei. Der Prüfling ging darauf ein, dass eine lebenslängliche Freiheitsstrafe dem Gebot der Resozialisierung widerspräche, und unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten bedenklich sei. Die Rechtsfolgenlösung und die (negative bzw. positive) Typenkorrektur in der Literatur wurden aufgeführt um zu zeigen, dass die Umsetzung der Vorschrift erhebliche Probleme verursacht und im Grunde contra legem ausgelegt und angewendet werden muss um rechtstaatlichen Ansprüchen zu genügen.
Der Prüfer wollte im Zusammenhang mit dem Holocaust weitere Zusammenhänge erklärt bekommen, etwa wer alles als „Täter“, wer als „Teilnehmer“ in Betracht komme, wie dies in der Praxis gehandhabt wird/wurde und welche Motive jeweils zugrunde lagen. Die Prüflinge gingen auf den Täter hinter dem Täter ein, die Rassenideologie in der Zeit des Nationalsozialismus, sowie die Funktionen der einzelnen Personen im Vernichtungsapparat. Insbesondere wollte der Prüfer darauf hinaus, dass „unmittelbar“ nur ein ganz kleiner Kreis von Menschen die Tötungshandlungen vollzogen, etwa die Wärter, welche den Hebel der Gaskammer umlegten, über die arbeitsteilige Organisation aber eine große Anzahl von Personen in unterschiedlich starker Ausprägung daran beteiligt waren. In der Praxis sei wenn überhaupt hauptsächlich Beihilfe angenommen worden. Der Prüfer wollte wissen wie es mit der Strafbarkeit eines KZ-Arztes aussehe welcher lediglich die Krankheiten der Lagermannschaft heile beziehungsweise eines Mechanikers welcher Lastwagen repariere. Der Prüfling antwortete, um hier eine Beihilfe zum Mord anzunehmen sei dessen tatbestandliche Verwirklichung erforderlich. Problematisch sei insbesondere der doppelte Vorsatz, beziehungsweise der Vorsatz bezüglich der Haupttat. Der Arzt/Mechaniker müsste bereits bei seiner Heil-/Reparaturhandlung Vorsatz bezüglich der späteren Tötungen haben. Darauf fragte der Prüfer welche Vorsatzform vorliegen müsse und verwies auf die Kenntnis der Lagerumstände durch den Arzt. Der Prüfling wies auf den Grundsatz „in dubio pro reo“ hin und meinte die Einbindung des Arztes in den Lagerablauf sei lediglich ein starkes Indiz für das Vorliegen von zumindest Eventualvorsatz, dieser müsste aber in jedem Einzelfall begründet werden und sei nicht pauschal anzunehmen. Insbesondere sei in Hinblick auf die potentiell hohen Strafrahmen restriktive Anwendung des Strafrechts geboten.
Insgesamt lässt sich sagen, dass der Prüfer auch während der Prüfung eher still, zurückhaltend und distanziert wirkte. Er kommentierte die Antworten der Prüflinge kaum und ließ diesen mehr oder weniger freie Hand was sie vortrugen. Der Prüfling erreichte 14 Punkte und die anderen Prüflinge erzielten ebenfalls zweistellige Ergebnisse. Mit der Notengebung waren die Prüflinge zufrieden, eine Verbesserung des schriftlichen Ergebnisses war jedem möglich.
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