Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Oktober 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Öffentliches Recht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 41,5 |
Zivilrecht | 10 |
Strafrecht | 9 |
Öffentliches Recht | 9 |
Endpunkte | 69,5 |
Endnote | 7,72 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Urteilsverfassungsbeschwerde, Meinungsfreiheit vs. Art. 21 I GG
Paragraphen: §93 GG, §5 GG, §21 GG
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Diskussion, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Der Sachverhalt wurde nicht ausgeteilt, sondern von der Prüferin vorgetragen. In dem Fall ging es um X, der eine Domain mit dem Titel „wir-sind-afd.de“ eingerichtet hat. Als Beschreibung der Domain wird angeführt: „Wir sind eine nationalsozialistische, rassistische Partei“. Zu finden sind hier Zitate sowie dazugehörige Fotos von AfD Parteimitgliedern. Gegen die Domain-Bezeichnung setzt sich die AfD zur Wehr. Sie beruft sich dabei auf das über § 12 BGB geschützte Namensrecht. Im Zivilrechtsweg wird X zur Löschung der Domain verurteilt.
X wendet sich nun im Wege der Verfassungsbeschwerde an das BVerfG. Zu prüfen war nur die Begründetheit der Verfassungsbeschwerde.
Der zu Beginn angesprochene Prüfling begann zunächst mit der Formulierung eines korrekten Obersatzes und begann in der Folge mit einer etwaigen Rechtsverletzung in Art. 5 I 1 Fall 1 GG. Dabei legte die Prüferin insbesondere Wert auf das korrekte Zitieren der Norm. Zudem wollte sie wissen, was noch vor der Prüfung der Begründetheit als Besonderheit des Falles festgestellt werden muss. Sie wollte dabei auf den speziellen Fall der Urteils-Verfassungsbeschwerde hinaus. In diesem Zusammenhang galt es noch festzustellen, welcher besonderen Bedeutung dem BVerfG im Vergleich zu den Fachgerichten zukommt. Dabei kam es ihr vor allem auf das Schlagwort „Superrevisionsinstanz“ an.
Der Schutzbereich der Meinungsfreiheit wurde in persönlicher und sachlicher Hinsicht unter Zugrundelegung der korrekten Definitionen geprüft. Dabei galt es zunächst auf den reinen Domainnamen einzugehen, bei dem es uns jedoch zunächst schwer viel, allein den Namen der Domain für mehr als eine reine Tatsachenbehauptung zu halten. Erst nachdem die Prüferin uns den Hinweis gab, dass die Domainbezeichnung im Zusammenhang zu der Parole der Montagsdemonstrationen von 1989/90 „Wir sind das Volk“ stehen soll, viel uns die Abwägung zugunsten der Einstufung als Meinung leichter. Sodann wurde noch diskutiert, ob der Domainname in Verbindung mit dessen Inhalt, als eine Meinung angesehen werden kann. Das galt es im Hinblick darauf zu bejahen, dass Meinungen umfangreich geschützt werden, ganz gleich auf welchen Gegenstand sie sich beziehen. Zudem wurde noch die Abgrenzung zur Satire und dementsprechend zur Kunstfreiheit vorgenommen. Dabei wurde auch festgestellt, dass die Kunstfreiheit nach Art. 5 III 1. Var. GG nicht der Schranke des Art. 5 II GG unterliegt, sondern wegen ihrer systematischen Stellung „nur“ verfassungsimmanenten Schranken, also elementare Rechte Dritter und Prinzipien von Verfassungsrang. Letztlich kamen wir jedoch zu dem Ergebnis, dass es sich vorliegend um keine so überspitze Äußerung handelt, dass diese nur als nicht ernstlich gemeint interpretiert werden kann.
Im weiteren Prüfungsverlauf, wurde als Eingriff sodann das (letztinstanzliche) Urteil festgestellt.
Schließlich sollten wir die Frage beantworten, welche Schranken-Schranken bestehen. Hierbei galt es insbesondere auf die Besonderheit der Urteils-VB einzugehen, dergestalt, dass nur spezifisches Verfassungsrecht zu prüfen ist. Der legitime Zweck, die Geeignetheit und Erforderlichkeit wurden im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unproblematisch bejaht. Bei der Angemessenheit wurden dann die sich gegenüberstehenden Verfassungsgüter im Sinne einer praktischen Konkordanz gegeneinander abgewogen. Hierbei wurde auch auf den Schutz des Parteinamens der AfD durch Art. 21 I 2 GG eingegangen. Es sollte klargestellt werden, warum die AfD sich nicht auf das APR aus Art. 2 I GG i.V.m. Art. 1 I GG berufen kann, obwohl § 12 BGB eine Ausprägung dessen ist. Das Hauptaugenmerk wurde jedoch auf die Meinungsfreiheit gelegt, bei der die Prüferin auf die besondere Rolle der Meinungsfreiheit als Freiheitsgrundrecht zur Gewährleistung einer funktionierenden Demokratie, hinaus wollte. Dabei teilte sie uns mit, dass es ein Urteil des BVerfG gibt, dass sich für eine Vermutung zugunsten des grundsätzlichen Überwiegens der Meinungsfreiheit ausspricht.
Letztlich forderte die Prüferin uns auf, frei zu argumentierten, inwiefern wir die Urteile der Gerichte für nachvollziehbar oder eben fehlerhaft ansehen. Dabei bekannte sie sich vorsichtig zur Ansicht, das Urteil für fehlerhaft anzusehen. Als Gegenargument lobte sie insbesondere, dass ein Prüfling die besondere Rolle der Parteien aus Art. 21 GG heraushob.