Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Mecklenburg-Vorpommern vom Februar 2024

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

7,49

Endnote

8,1

Zur Sache:

Prüfungsstoff:  aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Grundrechte, Verfassungsbeschwerde

Paragraphen: §12 GG, § 14 GG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit der Frage, ob wir denn heute schon in die Ostsee-Zeitung geschaut hatten. Wir blickten ihn alle nur fragend an, ohne dass ihm jemand sagte, dass wir morgens am Prüfungstag (Prüfung begann um 9 Uhr) nicht schon die Zeitung des heutigen Tages hinreichend studiert hatten. So also musste er selbst darlegen, dass ein Artikel über die Bauernproteste in MV erschienen war. Die nächste Frage ging dahin, dass er wissen wollte, ob man sich nun vorstellen könne, was das Prüfungsthema sei. Hierzu durfte man Art. 12 GG, Art. 8 GG, Art. 3 I GG, Art. 14 GG etc. in den Raum „werfen“, bevor er dann seinen Fall konkret schilderte. Die L-KG ist ein Landwirtschaftsbetrieb mit einem Reinerlös i.H.v. 150.000€. Die L-KG verbraucht pro Jahr ca. 30.000 Liter Agrardiesel. Bisher wurde den Landwirten die angefallene Mineralölsteuer (47,04 Cent/ Liter) gem. § 57 Energie StG i.H.v. 21,48 Cent/ Liter rückerstattet. Der Bundestag hat infolge des Haushaltsurteils des BVerfG ein Gesetz beschlossen wonach die sog. Agrardieselerstattung gestrichen wird. Dieses Gesetz wurde am 01.01.2024 verkündet und tritt mit Wirkung zum 01.01.2025, d.h. erst in der Zukunft in Kraft. Frage: Wird die Verfassungsbeschwerde der L-KG Erfolg haben? Zunächst sollte die Zulässigkeit schulmäßig geprüft werden. Bei der Parteifähigkeit/ Beteiligtenfähigkeit war darauf zu achten, dass es sich hier nicht um eine natürliche Person handelt. Hier waren die unterschiedlichen Bedeutungen des Begriffs der juristischen Person im Öffentlichen Recht und Privatrecht zu erläutern. Beschwerdegegenstand (Gesetz als Legislativakt) war unproblematisch. Im Rahmen der Beschwerdebefugnis war zu prüfen, ob die L-KG durch das Gesetz auch gegenwärtig und unmittelbar beschwert war. Das Gesetz war zwar noch nicht in Kraft, entfaltete also noch keine Rechtswirkungen. Allerdings waren diese bereits klar absehbar und für den Beschwerdeführer gewiss und damit war er „schon“, also gegenwärtig betroffen. Fraglich war dann, ob der erst noch durch die zust. Behörde zu erstellender Bescheid zur Rückerstattung die unmittelbare Betroffenheit entfallen lässt. Hier sollte angesprochen und diskutiert werden, ob dem Betroffenen ein Abwarten des Vollzugsaktes und anschließendes Beschreiten des fachgerichtlichen Rechtsweges zumutbar war. Beim Prüfungspunkt der Rechtswegerschöpfung war festzustellen, dass es gegen Gesetze keinen Rechtsweg gibt (§ 93 III BVerfGG). Form und Frist waren unproblematisch. Bei der Begründetheit sollte zunächst aus didaktischen Gründen mit Art. 14 GG begonnen und dieses (abstrakt) gegen Art. 12 GG abgegrenzt werden. Mit der Kurzformel Art. 12 GG schützt den „Erwerb“ und Art. 14 GG das „bereits Erworbene“ wurde der Schutzbereich des Art. 14 GG iE verneint. Hier fragte der Prüfer nach, ob denn die bisher gesetzlich vorgesehene Steuerrückerstattung nicht eine Art Anwartschaft, also etwas bereits Erworbenes sei. Dies wurde hier verneint, insb. da die neue Regelung keine erdrosselnde Wirkung (!) habe, also das Vermögen nicht grundlegend beeinträchtigt wird. Weiter ging es dann mit der Prüfung des Art. 12 I GG. Der Schutzbereich war hier unproblematisch. Als nächstes war zu erörtern, ob die Erhebung von Steuern einen Eingriff darstellen würden. Hier sollte erkannt werden, dass dies keine Maßnahmen mit subjektiv regelnder Tendenz seien. Allerdings nimmt die Regelung Einfluss auf die Art und Weise der Berufsausübung. So macht die Erstattung einen nicht unerheblichen Teil des Betriebsgewinns aus (ca. 4-5%), der bei Wegfall nicht mehr z.B. für Investitionen zur Verfügung steht. Insoweit wurde jedenfalls eine objektiv berufsregelnde Tendenz der Maßnahme, hier des Gesetzes angenommen. Diesbezüglich wurde vom Prof. auch noch nach der Definition und dem Wesen von „Steuern“ abstrakt abgefragt (vgl. § 3 III AO). Bei der Rechtfertigung war zunächst auf die formelle Rechtmäßigkeit einzugehen. Insbesondere wollte er eine Kompetenznorm hören (Art. 105 GG). Im materiellen Teil sollte die Drei-Stufen-Theorie dargestellt und geprüft werden. Zum Schluss wurde noch danach gefragt, woraus sich ggf. ein Verbot der Begünstigung ergeben könne. Hier sollte Art. 107 AEUV als höherrangige Norm angesprochen werden (Subventionsverbot).

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Mecklenburg-Vorpommern vom Februar 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.