Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW im März 2018

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im März 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 59
Zivilrecht 10
Strafrecht 10
Öffentliches Recht 10
Endpunkte 11
Endnote 10

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Rote Karte für die AFD; Neutralitätspflicht der Bundesminister

Paragraphen: §93 GG, §63 BVerfGG

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Unsere Prüfung drehte sich um eine aktuelle Entscheidung des BVerfG, die „Rote Karte für die AfD“. Dabei ging es um eine von der AfD organisierte Versammlung in Berlin unter dem Motto „Rote Karte für Merkel – Asyl braucht Grenzen“. Bundesministerin Johanna Wanka stellte hierzu folgende Pressemitteilung: „Rote Karte für die Afd! Die rote Karte sollte der AfD gezeigt werden, die der Radikalisierung der Gesellschaft Vorschub leistet und Volksverhetzung offen zustimmt“ auf der Webseite des Bundesbildungsministeriums ein, versah diese auch mit dem Ministeriumswappen und der Unterschrift: „Johanna Wanka, Bildungsministerin“. Dagegen wehrte sich die AfD vor dem BVerfG.
Wir begannen mit einem Organstreitverfahren. Der Prüfer wollte dabei wissen, ob denn nicht auch eine Verfassungsbeschwerde in Betracht käme. Dann grenzten wir ab, wann eine Partei Verfassungsbeschwerde erhebt und wann sie ein Organstreitverfahren beantragt. Es ging dabei darum, welche Stellung die Parteien als Antragstellerinnen haben. Es handelt sich dabei um eigene Verfassungsorgane. Er wollte dann als Bonusfrage wissen, welcher ehemalige Verfassungsrichter diese Begriffe geprägt hat, das war Richter Leibholz – – das wusste aber von uns niemand.
Es ging dann um das verletzte Recht der Partei. Ein Prüfling schlug vor, dass man Art. 21 i.V.m. Art 3 I prüfen könnte. . Der Prüfer betonte dann aber, dass Art. 21 GG i.V.m. Art. 3 GG nur in der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann und man im Organstreitverfahren allein auf Art. 21 GG abstellt.
Wir prüfen dann die Beteiligtenfähigkeit und sprachen über die unterschiedliche Formulierung in Art. 93 I Nr. 1 GG und § 63 BVerfGG. . Der Prüfer wollte dabei genaue Definitionen von Anwendungs- und Geltungsvorrang hören, und auch woher diese Figuren bekannt seien. Diese Frage konnten wir glaube ich nicht wirklich zu seiner Zufriedenheit beantworten. Jedenfalls kennt man die Figur des Anwendungsvorrangs wohl aus dem Unionsrecht, die Antwort „Europarecht“ schien ihm dabei gar nicht zu gefallen, da damit auch z.B. die EMRK gemeint ist, welche aber Völkerrecht darstellt. Am Ende meinte der Prüfer, dass wir darauf gar nicht hätten eingehen müssen, sondern man ihm diese Stichworte nicht an den Kopf werfen können, denn dann frage er ja auch mal nach.
Wir prüften dann die Begründetheit. Dabei ging es darum, dass der Bundesregierung zwar grundsätzlich ein Äußerungsrecht zusteht, sie aber trotz allem eine Neutralitätspflicht hat. Wir sprachen auch darüber ob es einen Unterschied macht, ob die Äußerung in Zeiten des Wahlkampfs erfolgt oder nicht – das macht wohl keinen Unterschied, weil die Bundesregierung mit derartigen Äußerungen immer zum politischen Meinungsbild beiträgt.
Die Frage war dann, ob die AfD in ihren Rechten aus Art. 21 I GG verletzt ist. Wir definierten zuerst den Schutzbereich des Art. 21 I GG (Gründungsfreiheit, Chancengleichheit und Teilnahme an politischer Willensbildung), und bejahten eine mögliche Verletzung der Chancengleichheit der Parteien, dadurch dass die Ministerin sich bei ihrer Äußerung unsachlich verhalten hatte. Der Prüfer wollte dann noch wissen, wie die Ministerin hätte vorgehen müssen, wenn sie sich trotzdem zu der Veranstaltung hätte äußern wollen. Wichtig waren dabei wohl die Umstände der Erklärung, also vor allem die Homepage und das Ministeriumswappen.
Die Prüfung war damit fast zu Ende, der Prüfer n ging noch kurz auf die „Kein Licht aus für Pegida“ -Entscheidung (OVG Münster, Az. 15 A 2293/15) ein. Der Bürgermeister hatte hier zum Abschalten aller Lichter auch an öffentlichen Gebäuden während einer Veranstaltung der Pegida aufgerufen. Dazu wollte der Prüfer wissen, ob der Bürgermeister auch der Neutralitätsplicht unterliegt – Ja, denn der Bürgermeister sei auch eine Behörde. Der Prüfer fragte daraufhin, was denn eigentlich eine Behörde sei und woraus sich das denn ergebe (Legaldefinition aus § 1 II VwVfG und organisatorischer Behördenbegriff).