Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Juli 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer teilte zu Beginn der Prüfung einen kurzen Fall aus.
Der Sachverhalt war sehr übersichtlich:
Die Staatsanwaltschaft hatte jemanden wegen Betrugs angeklagt. Diese Person soll in einem Kaufhaus mehrere Anzüge zur Anprobe mit nach Hause genommen haben. Diese hat er anschließend weder zurückgegeben noch bezahlt.
Einziger Zeuge war der Filialleiter (oder Verkäufer o.ä., darauf kam es vorliegend nicht an), der Angeklagte ließ sich nicht zur Sache ein. Weitere Beweismittel waren nicht vorhanden.
Der Zeuge gab an, dass der Angeklagte von Anfang an vorgehabt habe die Anzüge nicht zu bezahlen und für sich zu behalten.
Der Prüfer frage uns nun was wir von dem Fall halten.
Der erste Kandidat äußerte sich zunächst kurz dazu welches Gericht vorliegend zuständig sein könnte.
Die zweite Kandidatin prüfte danach die einzelnen Tatbestandsmerkmale eines Betrugs.
Der Prüfer fragte dann weiter, ob hier tatsächlich ein Betrug vorläge.
Nach einer Weile kamen wir drauf, dass der Vorsatz vorliegend problematisch ist, da im Prozess nicht nachgewiesen werden kann, dass der Angeklagte im Kaufhaus bereits eine Täuschung vorgenommen hat und der Vorsatz hinsichtlich der Zahlungswilligkeit bzw. der Nichtrückgabe der Anzüge dort bereits gefasst war.
Weiter wurde gefragt, ob vielleicht noch andere Straftatbestände in Betracht kämen. Hier kamen wir schnell zur Unterschlagung.
Die Tatbestandsmerkmale wurden geprüft und deren Vorliegen bejaht. Hierbei wurde kurz die grundsätzliche Subsidiarität der Unterschlagung diskutiert und der Prüfer fragte nach deren rechtshistorischer Bedeutung.
Anschließend wollte der Prüfer wissen was das Gericht nun wohl machen würde bzw. wie wir die prozessuale Situation beurteilen würden.
Hier wurde ein rechtlicher Hinweis nach § 265 StPO angedacht (wäre nicht ausreichend, da die zeitlich später verwirklichte Unterschlagung eine andere prozessuale Tat darstellt).
Kurz wurde auch über eine Nachtragsanklage gem. § 266 StPO nachgedacht. Wir diskutierten kurz die Voraussetzungen. Entscheidend war hier, dass der Angeklagte zustimmen müsste, woran dieses Vorgehen voraussichtlich scheitern dürfte.
Schließlich kamen wir auf die Möglichkeit der Wahlfeststellung.
Hier wurde kurz erörtert was überhaupt ist und welche verschiedenen Arten der Wahlfeststellungen möglich sind und wie sich diese wiederum voneinander unterscheiden. Anschließend wurden die Voraussetzungen der ungleichartigen Wahlfeststellungen im konkreten Fall geprüft.
Danach fragte der Prüfer noch, wie im Falle einer wahlweisen Verurteilung der Urteilstenor lauten würde. Ebenso, ob es eine gesetzliche Regelung zur Wahlfeststellung gibt und ob das Fehlen einer solchen Regelung in rechtsstaatlicher Hinsicht bedenklich sei.
Zum Abschluss fragte der Prüfer noch, was in der vorliegenden prozessualen Situation trotzdem noch problematisch sei: Die wahlweise Verurteilung müsste auch in der Anklageschrift so beantragt werden bzw. fehlen tatsächliche Angaben in der Anklage, aufgrund derer eine Verurteilung wegen Unterschlagung möglich gewesen wäre.
Danach war die Prüfung vorbei.