Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen vom September 2015. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 7,66 | 9,.. | k.A. | k.A. |
Zivilrecht | 10 | <10 | <10 | <10 |
Strafrecht | 10 | <10 | <10 | <11 |
Öffentliches Recht | 11 | 14 | <10 | <10 |
Endpunkte | 10,33 | <10 | <10 | <10 |
Endnote | 8,62 | 10,63 | 8,42 | 9,.. |
Prüfungsgespräch:
Als wir nach der Pause wieder in den Raum kamen, lag auf jedem Platz ein Zettel mit einem Grundfall und zwei Abwandlungen. Der Prüfer teilte uns mit, dass wir zunächst die zwei Abwandlungen lösen würden, weil die Vormittagsgruppe diese nicht mehr geschafft hätte.
Er fasste uns daher den Grundfall zunächst zusammen: A wollte B erschrecken und fuhr mit dem Auto auf sie zu. Er wollte im letzten Moment bremsen und ging davon aus, dass B schon rechtzeitig zur Seite springen würde. Dadurch entstehende Verletzungen nahm er billigend in Kauf. B sprang zur Seite, allerdings vor einen Bus und war sofort tot.
In der ersten Abwandlung ging es darum, dass A direkt weitergefahren ist. Allerdings ging er innerhalb von 24 h zur Polizei und stellte sich. Hier sollte die Strafbarkeit von A geprüft werden.
Ich prüfte § 142 I StGB. Wichtig war ihm die Definition vom Unfall im Straßenverkehr [Unfall = plötzlich auftretendes Ereignis, das ihm Zusammenhang mit den Gefahren des Straßenverkehrs steht (=verkehrsspezifischer Zusammenhang) und einen nicht ganz unerheblichen Schaden verursacht].
Anschließend wollte er wissen, ob eventuell nach der Schuld noch was zu berücksichtigen sei. Hier war eine Tätige Reue nach § 142 IV StGB vor. Damit war die erste Abwandlung zu Ende geprüft.
In der zweiten Abwandlung wurde unterstellt, dass B überlebt hat. Relevant war hier zum einen die Strafbarkeit des A nach §§ 223, 224, 226 StGB. Wichtig war der Prüfer, zum einen die Definitionen und die Subsumtion. Zum anderen war nach dem Wortlaut alles auf einen Rücktritt des A angelegt. Problematisch war, dass von einem vollendeten Delikt nicht zurückgetreten werden kann. Deshalb wurde überlegt § 24 StGB analog anzuwenden. Das ist allerdings aufgrund des Wortlauts nicht möglich. Möglich wäre jedoch eine analoge Anwendung der Vorschriften über die tätige Reue. Zulässig wäre das, weil es sich um eine täterbegünstigende Analogie handeln würde, die daher zulässig ist. Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber die wenigen Fälle der tätigen Reue abschließend geregelt hat. Es fehlt daher an einer planwidrigen Regelungslücke.
Sodann kamen wir zur Prüfung des Grundfalls. Hier kamen wir insbesondere zu § 227 StGB. Hier waren zunächst die Letalitätstheorie und der Tatspezifische Zusammenhang zu nennen und zu prüfen.
Weiter kamen wir zu der Frage, ob ein erfolgsqualifizierter Versuch möglich ist. Das ist abhängig davon, ob mit der Letalitätslehre auf die Erfolgsgefahr oder auf die Handlungsgefahr abgestellt wird. Hier wurden pro und contra Argumente diskutiert.
Anschließend war zu prüfen, ob der Erfolg einen atypischen Kausalverlauf (Erfolg liegt völlig außerhalb dessen, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung zu erwarten ist) oder dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist.
Danach hörten wir mit der Fallprüfung auf und kamen noch zu StPO. Bei uns wurden die Prozessmaximen geprüft. Der Prüfer erwartete aber nicht, dass man selbst die Prinzipien aufzählen konnte, sondern fragte direkt nach den konkreten Prinzipien. Genannt wurde das Akkusationsprinzip (§ 151 StPO) und die Offizialmaxime und ihre Ausnahmen sowie das Legalitätsprinzip. Wir kamen auf den „fair-trial“ Grundsatz nach § 6 EMRK zu sprechen und seine Ausprägungen. Weiter sollte noch „in dubio pro reo“ erklärt werden und seine Bedeutung. Zum Abschluss sollte noch der gesetzliche Richter erklärt werden (Art. 101 GG). Dabei ging der Prüfling auf die nationalsozialistische Vergangenheit ein und umschrieb daraufhin das Verbot von Ausnahmegerichten.
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