Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im April 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 |
Vorpunkte | 4,08 | 3,7 | – |
Zivilrecht | 9 | – | 10 |
Strafrecht | 7 | – | 10 |
Öffentliches Recht | 9 | – | 10 |
Endpunkte | 8,33 | – | 10 |
Endnote | 5,61 | 5,2 | 6,2 |
Prüfungsgespräch:
Zu Beginn der Prüfung diktierte die Prüferin uns einen kurzen Fall. Es ging um eine 16-Jährige, die sich bei einem Piercer ein Piercing stechen ließ, natürlich ohne Erlaubnis der Eltern. Es war nach der Strafbarkeit des Piercers gefragt.
Zunächst war ich an der Reihe und ich stieg mit der Körperverletzung nach § 223 StGB ein. Da mir klar war, dass Piercings nur mit dafür vorgesehenen Werkzeugen gestochen werden können, war ich mir mangels der Sachverhaltsangabe zunächst unsicher, ob ich auch § 224 StGB prüfen sollte. Dies war auf Nachfrage anscheinend nicht gewünscht, sodass ich mit der Prüfung von § 223 StGB begann.
Ich definierte zunächst die Körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung und wollte nach der ersten Definition darauf hinaus, dass bei Vorliegen die Varianten nur alternativ vorliegen müssen. Aufgrund der Aufregung verhaspelte ich mich allerdings und erklärte, dass sie kumulativ vorliegen müssten. Auf Nachfrage von der Prüferin, die etwas amüsiert wirkte, ob ich denn wisse, was das Wort überhaupt bedeute, konnte ich mich noch korrigieren, allerdings schien das bei ihr einen schlechten ersten Eindruck hinterlassen zu haben.
Ich fuhr mit der Prüfung fort und ging dabei leider nicht so schematisch vor, wie ich mir das vorgenommen hatte. Die Prüferin achtet, wie aus den Protokollen auch hervorgeht, allerdings schon sehr auf Schemata, sodass ich mir hier wohl auch einige Punkte verhauen hatte.
Letztendlich kamen wir zur Einwilligung, die von ihr bekanntermaßen ja auch gern geprüft wird. Ich begann mit der Disponibilität des Rechtsguts und kam schließlich zur Einwilligungsfähigkeit der 16-Jährigen. Dies war der Schwerpunkt der Prüfung. Ich schwadronierte bei der Beantwortung etwas herum und kam nicht gleich auf die Einsichtsfähigkeit zu sprechen. Die Prüferin nahm dann die Mitprüflinge dran und die durften dort anknüpfend weiterprüfen. Es folgte eine Diskussion darüber, ob hier Einsichtsfähigkeit vorlag. Das ging etwas hin und her und alle waren sich sehr unsicher, sodass ich irgendwann den Faden verloren hatte. Als ich dann wieder dran war und sagen sollte, ob ich das denn genauso wie meine Kollegen sähe, konnte ich das nur bejahen und nicht mehr viel dazu sagen.
Die Prüferin brach die Prüfung hier dann ab und ging leicht genervt zu einem anderen Fall über mit den Worten „Na gut, dann brechen wir das hier mal ab und machen lieber etwas anderes“.
Ich war auf Vermögensdelikte vorbereitet und wollte die Chance nutzen, um doch noch etwas rauszuholen. Der Fall, den Sie nun schilderte, behandelte allerdings wieder Körperverletzung nach § 223 StGB und die Einwilligung. Es ging um einen Bewusstlosen, der eingeliefert wurde und eine Patientenverfügung in der Tasche hatte, aus der hervorging, dass er keine Eingriffe wolle. Der Arzt operierte trotzdem – Strafbarkeit des Arztes. Hier fand eine genauso unsichere Diskussion statt, die sich wieder hauptsächlich bei meinen Mitprüflingen abspielte und zu der ich auch nichts als das bereits Besprochene hätte beitragen können. Ich war dann doch ziemlich enttäuscht und hatte nicht verstanden, wieso sie bei so offensichtlicher Unsicherheit bei den Prüflingen genau dasselbe Thema erneut prüfte. Man muss dazu sagen, wir waren leider nur zu dritt und dadurch konnte sie auch nicht zwischen den Prüflingen groß springen. Es war daher eine sehr schleppende und zähe Prüfung und die Prüferin war nicht sehr begeistert.
Am Ende schilderte die Prüferin noch ganz kurz den Fall, dass jemand mit Corona einen anderen Menschen anspuckt. Mir war klar, dass sie hier auf die von ihr so gern geprüfte Beleidigung nach § 185 StGB hinaus wollte. Zunächst prüfte ich aber natürlich die Körperverletzung mal wieder, diesmal nach §§ 223, 224 StGB. Hier kam bereits die Frage auf, ob der Angespuckte sich infiziert hatte. Dazu gab es keine Angaben im Sachverhalt und nach einiger Unsicherheit prüfte ich dann die versuchte Körperverletzung. Dies lief auch alles. Dann wollte ich mehrere Nummern der Qualifikation anprüfen und begann mit dem gesundheitsschädlichen Stoff. Ich definierte dies und bejahte es. Dann brach die Prüferin aber sofort ab und fragte explizit die anderen zwei Mitprüflinge nach weiteren Nummern.
Schließlich fragte sie noch nach weiteren möglichen Delikten. Dazu durfte jedoch nur noch ein Prüfling etwas sagen, der dann § 185 StGB prüfte und auch die Nachfrage, ob es sich dabei um eine bestimmte Form der Beleidigung handele (tätliche Beleidigung) durfte nur er antworten. Ich fand es etwas schade, dass die Prüfung thematisch so einseitig ablief und ich gefühlt überhaupt kein Wissen in der Breite abliefern konnte.