Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom März 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im März 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 6,9 7,0 7,0 6,0
Zivilrecht 11 12 13 11
Strafrecht 12 8 11 9
Öffentliches Recht 13 11 12 9
Endnote 1 1 1 1

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Versammlungsrecht, Klagearten

Paragraphen: §40 VwGO, §113 VwGO, §17 VersG, §88 VwGO, §8 GG

Prüfungsgespräch:hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer stellte sich kurz vor und begann dann direkt mit einem Fall. Diesen teilte er jedoch nicht aus, sondern las ihn lediglich vor. Anschließend konnten aber auch Verständnisfragen zum Fall gestellt werden.
Die rechtsextreme N-Partei veranstaltet am 12.01.2019 eine Kundgebung in Göttingen zum Thema Asyl Flut und Eurowahnsinn. Die Versammlung hat ca. 12 Teilnehmer. Die Versammlung endet gegen 15 Uhr. Als die Mitglieder der N-Partei versuchen mit ihrem Bus den Versammlungsort zu verlassen blockieren einige der 1500 Gegendemonstranten die einzige Ausfahrt, sodass der Bus den Platz nicht verlassen kann. Erst gegen 17.30 gibt die bereits seit Beginn anwesende Polizei den Demonstranten auf den Weg zu räumen. Dem kommen die meisten Demonstranten auch nach, einige wenige müssen anschließend von der Polizei weggetragen werden. Gegen 17.35 kann der Bus der N-Partei den Versammlungsort verlassen.
Die N-Partei möchte gerichtlich festgestellt haben, dass die Polizei früher hätte einschreiten müssen. Wir begannen zunächst mit der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, wobei wir hier nur abstrakt Normen des NVersG und NOSG als mögliche streitentscheidende Normen angaben.
Anschließend kamen wir auf die statthafte Klageart zu sprechen. Ich eröffnete die Problematik damit, dass es sich zum einen um einen vergangenen Sachverhalt handelt und das weiter nicht eindeutig sei, ob die N-Partei von der Polizei einen Verwaltungsakt oder ein Realhandeln forderte. Dies diskutierte ich relativ ausführlich und nahm schließlich einen VA und somit eine Fortsetzungsfeststellungsklage als statthafte Klageart an. Der Prüfer merkte an, dass das OVG dieses Problem gar nicht angesprochen hätte, er sähe dies jedoch ebenfalls als problematisch an. Anschließend fragte er auch noch alle anderen Mitprüflinge nach ihrer Meinung, die sich jedoch alle der FFKl anschlossen.
Wir besprachen dann die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzung, wobei Der Prüfer insbesondere Wert auf das Fortsetzungsfeststellungsinteresse legte. Auch sollten wir deutlich machen, dass sich die Zulässigkeitsvoraussetzungen der FKl in diesem Fall gar nicht von der FKl unterschieden.
Wir sprachen die Beiladung und kamen dann zur Begründetheit, wobei der Prüfer viel Wert auf den Obersatz legte.
Anschließend diskutierten wir die möglichen Anspruchsgrundlagen. Zunächst kamen wir darauf zu sprechen, dass das NVersG möglicherweise gar nicht mehr Anwendung finden könnte, da die Versammlung bereits beendet war. Hier zogen wir eine Parallele zu den Vorbereitungsmaßnahmen und dass grundsätzlich auch die Abreise, wenn sie im unmittelbaren Zusammenhang mit der Versammlung steht, noch unter den Schutz des NVersG fallen kann. Allerdings regelt, dass NVersG überwiegend Schutzmaßnahmen der Versammlung und keinen Anspruch auf das Wegtragen anderer Demonstranten, sodass wir uns letztlich für den Platzverweis den § 17 NSOG entschieden. Hier prüften wir die einzelnen Tatbestandsmerkmale durch, wobei wir insbesondere die Gefahr diskutierten und diese letztlich annahmen. Der Prüfer fragte weiter nach dem Ermessen und Ermessensfehlern. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeit diskutierten wir dann, ob hier eine Ermessensreduktion auf null vorgelegen haben könnte, sodass die Polizei einen Platzverweis hätte aussprechen müssen. Hier kamen wir auch auf den Unterschied von Bescheidungs- und Vornahmeurteil zu sprechen.
Dies bejahten wir letztlich, wobei Der Prüfer noch nach der konkurrierenden Versammlungsfreiheit der anderen Demonstranten fragten sowie der BVerfG-Entscheidung zu den Vorfeldmaßnahmen bei Versammlungen.
Zum Schluss hatten wir noch ca. 7 Minuten Zeit, in denen der Fragen zum Instanzenzug, dem Namen der Spruchkörper von Verwaltungsgerichten sowie deren Standort stellte.