Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom März 2021

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im März 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 36
Zivilrecht 10
Strafrecht 13
Öffentliches Recht 13
Endpunkte 72
Endnote 8,1

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: AGB, Sachmängelgewährleistungsrecht, allgemeine zivilrechtliche Grundsätze

Paragraphen: §309 BGB, §310 BGB, §307 BGB, §437 BGB, §377 HGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer machte von Beginn an deutlich, dass er nicht in seinem Themengebiet, dem Bankenrecht prüfen wird, sondern ihm die zivilrechtlichen Grundlagen ein Anliegen sind und er sich deswegen auf diese beschränken will. Zu diesem Zweck habe er zwei Sachverhalte mitgebracht, die er gerne mit uns erörtern wolle (die Sachverhalte lagen bereits ausgedruckt auf unseren Tischen).
Da der Prüfer in seiner ersten Prüfung Bankenrecht abgefragt hat und wir alle mehr oder weniger sicher davon ausgegangen sind, dass auch dieses Mal der Schwerpunkt im Bereich des Bankenrechts liegen wird, waren wir durch seine Ankündigung zunächst alle verunsichert.
So wie sich die Prüfungseinleitung angehört hat, ist nicht davon auszugehen, dass der Prüfer zukünftig seine Prüfungen auf einen rein bankenrechtlichen Fall hinauslaufen lässt oder etwa Kenntnisse in diesem Bereich voraussetzt. Eine vertiefte oder erstmalige intensive Auseinandersetzung mit den §§ 675 a ff- BGB, sowie den Kreditsicherungsmitteln ist folglich keine Voraussetzung für das Bestehen in seinen Prüfungen.
Zu Beginn sollten wir uns mit einem Sachverhalt beschäftigen, der vor einigen Monaten auch Gegenstand eines BGH Urteils war. Es ging um eine AGB, die von einer Bank gegenüber ihren Kunden verwendet wird (überwiegend im Bereich von Unternehmerkunden). Diese sah vor, dass Zahlungsanweisungen der Kunden an die Bank per Telefax an die Bank weitergeleitet werden soll und der Kunde das Risiko der fehlerhaften oder manipulierten Übermittlung an die Bank zutragen habe, es sei denn, dass der Kunde nachweisen kann, dass ihn aufgrund der betrügerischen Absicht Dritter kein Verschulden an der fehlerbehafteten Anweisung trifft. Sollte ein derartiger Nachweis nicht möglich sein, haftet alleine der Kunde und nicht die Bank.
Wir sollten nun zu Beginn herausarbeiten, wogegen die Klausel im Rahmen der §§ 307 ff. BGB verstoßen könnten und kamen auf den § 309 Nr. 12 BGB. Diese Norm ist jedoch gem. § 310 I BGB gerade nicht bei der Verwendung von AGB gegenüber Unternehmern anwendbar, sondern deren Wertung nur im Rahmen des § 307 zu berücksichtigen.
Im Anschluss ging es nun darum herauszuarbeiten was genau durch die Klausel in dem bestehenden Vertragsverhältnis bewirkt wird, um dann entscheiden zu können, ob diese gegen den § 307 BGB verstößt. Wir arbeiteten Heraus, dass es zu einer Beweislastumkehr zu Lasten des Kunden kommt, der Grundsatz der verschuldensabhängigen Haftung aufgehoben wird und es somit zu einer sog. „Sphärenhaftung“ des Kunden kommt. Wir hielten fest, dass eine derartige Klausel auch gegenüber Unternehmern nicht zulässig ist.
Zum Schluss wollte der Prüfer noch wissen, ob wir wüssten, wann nach dem BGH auch ausnahmsweise eine Sphärenhaftung zulässig ist. Wir präsentieren alle ein Paar mögliche Grundvoraussetzungen, die jedoch alle nicht zutrafen. Er verwies dann kurz darauf, dass die Nachteile der Sphärenhaftung durch eine gleichzeitige Vorteilsgewährung ausgeglichen werden müssen, um wirksam vereinbart werden zu können.
Vom Fall losgelöst frage der Prüfer noch einen Mitprüfling nach dem Mahnverfahren und dessen Ablauf.
Der uns nun vorgelegte Sachverhalt beschäftigte sich mit dem Sachmängelgewährleistungsrecht. Es ging um einen Gemüsehändler, der für seine notwenigen Einkäufe einen neuen Lieferwagen bei dem Gebrauchtwagenhändler M kaufen wollte. Er entschied sich für einen 3 Jahre alten Vito, den M selbst erst von wenigen Tagen von einer Kundin übernommen hat. Bevor er den Wagen jedoch seinen Kunden anbietet, lies M diesen von seinen Angestellten überprüfen und kleiner Lackschäden ausbessern, sowie eine „kleine Inspektion“ durchführen, bei der ebenfalls keine Mängel am dem Vito feststellbar waren.
K kaufte den Wagen, wobei der Kaufvertrag mit den Worten „Unternehmerkaufvertrag“ überschrieben war und eine Klausel enthielt, die sämtliche Gewährleistungsrecht ausschloss. Zwei Tage später brannte der Vito vollständig ab. Der Brand war auf einen technischen Defekt im Armaturenbrett zurückzuführen. Dieser Defekt hätte vorher nur festgestellt werden können, wenn das gesamte Armaturenbrett ausgebucht worden wäre und die entsprechenden Stromkreise überprüft worden wären. Ob und in welchen Abständen eine solche Überprüfung notwendig ist, ist nicht vom Hersteller vorgesehen.
Für die Feststellung des Mangels musste K Gutachterkosten von 600 € aufbringen. Es gab auch noch einen weiteren Schadensposten i.H.v. 800 € – ich weiß jedoch nicht mehr, wofür diese angefallen waren.
In Anbetracht der wenigen Zeit, die wir hatten, sollten wir erst einmal sämtlich möglichen Ansprüche (ohne jedoch die Normen zu nennen) aufzählen. Wir nannten die Ansprüche aus dem Sachmängelgewährleistungsrecht, Deliktsrecht und Bereicherungsrecht.
Er wollte dann noch auf die Mängelrüge in § 377 HGB hinaus und die Frage, ob § 119 II BGB neben dem Gewährleistungsrecht anwendbar ist (hier wollte er aber nicht die Argumente hören, warum § 119 II nicht anwendbar ist).