Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im Mai 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 |
Vorpunkte | 23 | 23 | 7 |
Zivilrecht | 11 | 7 | 11 |
Strafrecht | 9 | 11 | 11 |
Öffentliches Recht | 7 | 9 | 11 |
Endpunkte | 9 | 9 | 11 |
Endnote | 5,69 | 5,48 | 8,5 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer begann die Prüfling mit einer Frage zur Rechtspolitik des Jahres. Wir sollten alle unsere Meinungen um Sterbehilfeurteil vom BVerfG aus Januar/ Februar 2020 sagen. Dann ging es los mit dem Strafrecht. Der Prüfer teilte einen kurzen Fall aus, den der erste Prüfling vorlesen sollte. Der Fall lautete ungefähr so:
Der A steht mit seinem Handy in der Öffentlichkeit rum. Dann kommt der B vorbei und sagt zum A “ Hey A, bekomme ich Dein Handy, ich würde gerne telefonieren. Dabei wollte er von Anfang an nicht nur damit telefonieren und das Handy dem A zurückgeben. Er wollte den A dahingehend täuschen. Dann gab der A dem B sein Handy und blieb neben ihm (also dem B) stehen. Dann drehte sich der A kurz weg und diesen Moment nutze der B aus, um wegzulaufen. Das merkte der A natürlich und lief ihm (und seinem Handy) hinterher. Als der B das bemerkte, drehte er sich zum A um, hielt ein mitgeführtes Messer mit einer Klingenlänge von 15 cm in die Höhe und rief „Komm bloß nicht näher, sonst benutze ich das Messer!“. Das tat der B, weil er wollte, dass der A aufhört ihn zu verfolgen und seine Beute, also das Handy vom A, behalten wollte. Doch der A ließ sich davon nicht beeindrucken und konnte den B wenig später mittels der herbeigerufenen Polizei stellen. Wie hat sich der A strafbar gemacht?
Der nächste Prüfling sollte den Fall kurz zusammenfassen und dabei wurden noch einige Missverständnisse geklärt.
Der dritte Prüfling sollte mit einem Brainstorming zu den in Frage kommenden Delikten beginnen.
Dann begann die Prüfung mit § 242 StGB. Wir prüften alle Merkmale des Tatbestandes durch und sprachen lange über Gewahrsam. Was ist Gewahrsam? Was ist eine Gewahrsamslockerung? Was ist Mitgewahrsam? Was ist eine Gewahrsamsenklave? Was davon liegt hier vor? Was ist Bruch? Liegt hier ein Einverständnis vor? Dann sprachen wir kurz über die Abgrenzung vom Trickdiebstahl zum Sachbetrug. Wir sollten beim Diebstahl bleiben und machten direkt weiter mit der Zueignungsabsicht. Was ist Zueignungsabsicht? Liegt das hier vor? Dann kamen wir noch auf die Qualifikation § 244 zu sprechen und argumentierten über das Merkmal des „Gefährlichen Werkzeugs“ und ob ein objektives „bei sich führen“ ausreicht oder ob der Täter das Werkzeug auch verwenden will. Dann prüften wir noch einen räuberischen Diebstahl und blieben noch ca. 5 Minuten bei der „Beutesicherungsabsicht“ stehen. Es kam dem Prüfer auf eine saubere Subsumtion, eine logische und systematische Argumentation und eine selbstbewusst vertretene Meinung an.
Der Prüfer fragte der Reihe nach und nahm einzelne Prüflinge dran, wenn ein Prüfling nicht weiter wusste. Die Prüfung war auch rasend schnell vorbei und wir hatten alle nicht den Eindruck besonders gut abgeschnitten zu haben. Dennoch fiel die Bewertung wirklich gut und sehr wohlwollend aus. Die schlechteste Note war meine mit 9 Punkten. Wenn Ihr präzise bleibt und sauber argumentiert und regelmäßigen die gängigen Schlagworte (Einwirkungsmöglichkeit, Zugriffsmöglichkeit, Sphäre, Wortlautargument etc…) in den Raum wirft, dann seid Ihr auf der sicheren Seite (auch mit schlechten Vornoten).