Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im November 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 7,75 | 1 | 1 | 7,5 |
Zivilrecht | 13 | 12 | 12 | 14 |
Strafrecht | 11 | 13 | 10 | 12 |
Öffentliches Recht | 11 | 10 | 11 | 12 |
Endpunkte | 1 | 1 | 1 | 1 |
Endnote | 9,16 | 8 | 9 | 9 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Der Prüfer hat bei uns vieles etwas wild durchgeprüft, sowohl kurz vertragliche Ansprüche als auch GoA und Sachenrecht. Zudem hat er vorher einen kurzen Einstieg über die Gerichtszuständigkeiten gemacht.
Paragraphen: §38 ZPO, §280 BGB, §985 BGB, §683 BGB, §273 BGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer hat uns zwei Fälle gestellt, an denen er mit uns die Prüfungsthemen durchgegangen ist.
Der erste Fall lautete ungefähr:
A und B sind zwei Telekommunikationsunternehmen (irrelevant), die miteinander einen Vertrag geschlossen haben (was für ein Vertrag ist auch irrelevant gewesen). In ihrem Vertrag haben die beiden eine Klausel vereinbart, die die deutsche Gerichtsbarkeit festlegt und Bonn als Gerichtsstand, sollte es zu Streitigkeiten kommen. A verklagt dann aber B in Amerika, wo jede Partei ihre Gerichtskosten selbst trägt, egal wer gewinnt. Die Klage der A wird abgewiesen, der B sind dadurch jedoch trotzdem 200.000§ Prozesskosten entstanden, weil die Rechtslage in den USA eben anders ist. B möchte jetzt die 200.000§ von A ersetzt verlangen.
Hier war erst nicht klar, ob es eine ausschließliche Gerichtsstandvereinbarung ist oder nur bevorzugt
Bonn gewählt werden sollte, da hat er später präzisiert, dass es eine ausschließliche Gerichtsstandvereinbarung ist. Zwischendurch war er immer mal ein bisschen ungenau, hat dann aber auf Nachfrage präzisiert.
Hier sind wir dann erst auf 280 Abs.1 BGB gekommen, haben darüber gesprochen, ob der Verstoß gegen die Gerichtsstandvereinbarung eine Pflichtverletzung ist (wir haben die Voraussetzungen des 280 geprüft) und dann generell darüber geredet, wo die Gerichtsstandvereinbarung geregelt ist (da sollte §38 ZPO fallen), was der Sinn dahinter ist (deutsche Gerichte entscheiden anders als ausländische, andere Rechtssysteme, Rechtssicherheit), warum man sowas vereinbaren kann (da wollte er das Stichwort Privatautonomie hören), etc. Also ein bisschen allgemeines zum Thema Gerichtsstand. Bei der Frage, warum es denn einen Vorteil hat, ein bestimmtes Gericht in Deutschland zu vereinbaren wollte er den Begriff Forum Shopping wissen, das wusste aber keiner von uns.
Im Endeffekt sind wir dann zu dem Ergebnis gekommen, dass die Prozesskosten im Rahmen von 280 als Schadensersatz zu ersetzen sind.
Danach hat er einen zweiten Fall gebildet:
K fährt mit seinem Motorrad in einen Kreisverkehr, kriegt die Kurve nicht und verunfallt (nur verletzt, nicht tot). Die Polizei sowie ein Krankenwagen kommen hinzu und der K wird (zunächst war er im Fall bewusstlos, in einer späteren Abwandlung bei Bewusstsein) ins Krankenhaus gebracht. Die Polizei ruft einen Abschleppdienst, welcher kommt und das Motorrad abschleppt. Das Abschleppunternehmen (AB) stellt K daraufhin eine Rechnung, die dieser erstmal nicht bezahlt, das Motorrad holt er auch nicht ab, sodass die AB Standkosten für das Motorrad berechnet. Schließlich bezahlt K zwar die Rechnung, aber nicht die Standkosten. Diese möchte die AB jetzt auch noch von K haben.
Zunächst haben wir hier dann vertragliche Grundlagen besprochen, also generell, was die beiden Parteien für einen Vertrag miteinander haben könnten. Wir waren dann bei Werkvertrag und Verwahrungsvertrag, gesetzt den Fall K hätte (noch nicht bewusstlos) noch mit letztem Satz gesagt „bitte schleppt mein Motorrad ab“. Dann haben wir kurz die Polizei als Stellvertreter angerissen, aber sind nicht näher darauf eingegangen, später sollten wir dann annehmen, dass kein Vertrag bestanden hat, um zur GoA zu kommen. Das war alles etwas verwirrend, aber ich denke hier kam es nicht darauf an, sich auf eine Sache festzulegen, sondern der Prüfer wollte wissen, woran wir so grundsätzlich gedacht haben. Ob AB die Standgebühren bekommt, haben wir dann nicht weiterverfolgt, es ging dann vielmehr darum, ob K jetzt sein Motorrad wiederbekommt, also Herausgabeansprüche. Da haben wir dann kurz ein paar grundsätzliche Herausgabeansprüche genannt und dann 985 einmal kurz durchgeprüft und sind dann am Zurückbehaltungsrecht hängen geblieben, was wir erstmal durchprüfen sollten. Da sind wir im ZBR dann bei der GoA gelandet und haben die einmal nach 683,670 durchgeprüft, dass auch etwas deutlicher, also mit Willen und Interesse des GH. Wir mussten dann erläutern, was für unterschiedliche Arten von Geschäften es gibt, also auch-fremdes, obj. fremdes, subj. fremdes und Eigengeschäft und dann wer bei welchem Geschäft den Fremdgeschäftsführungswillen beweisen muss (beim obj. fremden und auch-fremdem Geschäft wird er vermutet). Dann was der Wille des GH ist, was der mutmaßliche Wille ist, wann auf was abzustellen ist, etc.
Dann haben wir noch diskutiert, ob die Standgebühren jetzt ein Schaden sind oder Aufwendungen, da wollte er auch mehrere Meinungen/ Argumente wissen. Letztendlich haben wir uns aber für Aufwendungen entschieden und ein ZBR bejaht. Anschließend wurde diskutiert, ob das ZBR ein Recht zum Besitz ist, auch da wollte er unterschiedliche Argumente hören und hat mehrere Prüflinge zu Wort kommen lassen. Letztendlich war Herrn Lasch das Ergebnis (wie oft in der Prüfung) eigentlich egal, ich denke er wollte nur sehen, an was wir alles denken und ob wir verschiedene Normen durchprüfen und ggf. argumentieren können. Ob wir den Herausgabeanspruch letztendlich bejaht haben, weiß ich auch gar nicht mehr, ich glaube das hatte er dann offengelassen.
Die Prüfung selbst war ganz ok, der Prüfer hat geduldig nachgefragt, wenn man etwas nicht wusste und hat versucht, einen auf eine neue Idee zu bringen und hat ggf. eine Diskussion eröffnet. Manchmal war es etwas irritierend, weil er den Sachverhalt immer mal wieder abgeändert hat (Vertrag ja/nein, etc.), aber grundsätzlich hat er einen gut durch die Prüfung geführt.