Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Niedersachsen vom September 2019

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Niedersachsen im September 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 28
Zivilrecht 13
Strafrecht 9
Öffentliches Recht 11
Endpunkte 11
Endnote 6,94

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Baurecht, Bauvorbscheid, Flächennutzungsplan, Einvernehmen der Gemeinde

Paragraphen: §80 VwGO, §68 VwGO, §36 BauGB, §35 BauGB

Prüfungsgespräch: hart am Fall

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer begann die Prüfung mit den Worten „Heute machen wir Baurecht“. Zunächst stellte er allgemeine Fragen. Dazu gehörten unter anderem, was ein Bauvorbescheid und was ein Flächennutzungsplan ist. Darüber hinaus wollte er wissen, was eine Samtgemeinde ist. Wie wir später bemerkten, diente diese Fragen als Vorbereitung zum nachfolgenden Fall, um eine Grundlage für alle Prüflinge zu schaffen.
Dann stellte er uns einen Fall, den wir in ausgedruckter Form ausgeteilt bekommen haben. Er ließ den Fall von einem Prüfling laut vorlesen. Dieser lautete wie folgt:
Im Mai 2017 beantragte die Windenergie 5000 GmbH (W) bei dem Antragsgegner, einem niedersächsischen Landkreis, die Erteilung eines Vorbescheids für die Errichtung und den Betrieb von zwei Windenergieanlagen im Gebiet der Antragstellerin. Die Vorbescheids anfrage betrifft die drei Fragen:
1. Planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens in Bezug auf § 35 Abs. 3 Nr. 1 BauGB
Zulässigkeit des Vorhabens nach den raumordnungsrechtlichen Vorgaben des Regionalen Raumordnungsprogramms 2006 des Antragsgegners und
Aspekte der Flugsicherheit (zivil und militärisch)“
Im Juli 2017 versagte die Antragstellerin, eine niedersächsische Gemeinde, ihr gemeindliches Einvernehmen für die Erteilung des Vorbescheids. Die Vorhaben lägen außerhalb der hierfür in dem Flächennutzungsplan der Samtgemeinde, der sie angehöre, vorgesehenen Konzentrationszone. Der Flächennutzungsplan sei außerdem vom Antragsgegner genehmigt und damit unanfechtbar.
Nach Anhörung ersetzte der Antragsgegner mit Bescheid vom 14.11.2017 das Einvernehmen. Das Einvernehmen sei zu Unrecht versagt worden, da die im Flächennutzungsplan enthaltene Konzentrationsfläche u.a. aus Gründen der unzureichenden Bekanntgabe unwirksam sei und deshalb keine Ausschlusswirkung entfalte. Das Ermessen für die Ersetzung sei insbesondere aus Gründen der Baufreiheit der W auf null reduziert.
Mit Schreiben vom 30.11.2017 legte die Antragstellerin hingegen Widerspruch ein.
Auf Antrag der W ordnete der Antragsgegner mit Schreiben vom 25.02.2019 die sofortige Vollziehung des Ersetzungsbescheids an.
Kann sich die Antragstellerin hingegen erfolgreich vor Gericht wenden?
Fraglich war nun, wie sich die niedersächsische Gemeinde gegen die Ersetzung ihres Einvernehmens durch den Landkreis wehren kann. Aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung war sofort klar, dass wir uns im vorläufigen Rechtsschutz, also im § 80 Abs. 5 VwGO befanden. Da ein Dreipersonenverhältnis vorlag, kam auch § 80 a VwGO zur Sprache. Dabei war W Adressat eines begünstigenden Verwaltungsakts, da der Landkreis das versagte Einvernehmen der niedersächsischen Gemeinde ersetzte, damit W zwei Windenergieanlagen im Gebiet der Gemeinde errichten und in Betrieb nehmen konnte. Die Gemeine wurde dadurch belastet. Die Konzentrationszone ist eine Fläche im Flächennutzungsplan, auf der Windenergieanlagen im Außenbereich vorrangig zu errichten sind – als Ausnahme zu § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB. Das geplante Vorhaben lag außerhalb dieser Zone, sodass die Gemeinde ihr Einvernehmen versagte. Maßgeblich war in diesem Zusammenhang, ob der Flächennutzungsplan, der von dem Landkreis genehmigt und damit unanfechtbar war, abgeändert werden konnte. Der Prüfer stellte darüber hinaus die Frage, warum in § 36 BauGB ein Einvernehmen der Gemeine nur für Vorhaben nach den §§ 31, 33 bis 35 BauGB vorgesehen ist. Darüber hinaus machte er im Hinblick auf § 80 Abs. 2 BauGB einen kleinen Exkurs zum § 246 BauGB. An Einzelheiten kann ich mich aber ehrlich gesagt nicht erinnern. Zudem ging er noch auf die Anordnung der sofortigen Vollziehung an sich ein. Problematisch war jedenfalls die Ersetzung des Einvernehmens – ob es sich um einen Verwaltungsakt handelt oder eben nicht. Der Prüfer hat strikt am Fall gearbeitet, jedoch auch zwischendurch allgemeine Fragen zu den Thematiken aus dem Fall gestellt.