Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW Januar 2016

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Orginal-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Januar 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 46 62 53 32
Zivilrecht 10 15 13 10
Strafrecht 10 15 13 10
Öffentliches Recht 10 15 13 10
Endpunkte 79 115 97 68
Endnote 7,9 11,5 9,7 6,8

Zur Sache:

Prüfungsstoff:  aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: „Sharia-Polizei“

Paragraphen: §42 VwGO, §4 GG, §5 GG, §8 GG, §43 PolG

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Fragestellung klar

 

Prüfungsgespräch:

In einer nordrhein-westfälischen, kreisangehörigen Stadt sind in letzter Zeit mehrfach junge Männer aus der Islamistenszene abends mit orangefarbigen Weste mit der Aufschrift „Sharia-Police“ in der Fußgängerzone unterwegs. Sie sprechen Passanten an und machen sie darauf aufmerksam, dass diese sich nicht an die Regeln der Sharia halten würden. Sie sprechen dabei aber keine Drohung aus.

Sowohl die Ordnungsbehörde als auch die Staatsanwaltschaft prüfen Handhabungen gegen dieses Verhalten, sehen aber kein Mittel dagegen. Der Landrat weist schließlich den Bürgermeister an, gegen die Männer vorzugehen. Daraufhin erlässt der Bürgermeister zwei Bescheide. Der erste Bescheid enthält das Verbot, im Stadtgebiet als „Sharia-Police“ aufzutreten. Der zweite Bescheid enthält die Anordnung der Sicherstellung der Warnwesten.

Ein Mitglied der Szene musste seine Wahrweste abgeben. Er möchte nun gegen die Bescheide vorgehen. Insbesondere habe der Bürgermeister in seinen Bescheiden keine Ermessenserwägungen angestellt.

Zunächst wurde die Zulässigkeit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht überprüft. Die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 I VwGO wurde bejaht. Vorliegend sind Gefahrenabwehrmaßnahmen streitig. Beide Bescheide stellen Verwaltungsakte i.S.v. § 35 VwVfG dar. Fraglich war, welche Klageart statthaft ist. Eventuell waren die Verwaltungsakte bereits erledigt, sodass eventuell eine Fortsetzungsfeststellungsklage in Betracht kommt. Hier wirken aber beide Bescheide noch fort, da der Platzverweis noch besteht und die Warnweste noch sichergestellt ist. Im Rahmen der Klagebefugnis wurde gefragt, welche Rechte des Antragstellers verletzt sein könnten.

Eine Verletzung des Art. 4 I GG wurde in Bezug auf das Ansprechen der Passanten und das Tragen der Westen für möglich gehalten, wenn dies für die Islamisten zu ihrer Religionsausübung gehören würde. Eine Verletzung des Art. 11 GG wurde verneint, da dieses Grundrecht nicht die Bewegungsfreiheit, sondern die Freiheit zum Aufenthalt und Niederlassung schützt. Eine mögliche Verletzung von Art. 2 I GG besteht. Auch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 I GG könnte verletzt sein.

Zudem könnte Art. 8 I GG verletzt sein, wenn es sich bei dem abendlichen Umhergehen in der Fußgängerzone um eine Versammlung handelt. Hier wurden die unterschiedlichen Versammlungsbegriffe definiert und in Bezug auf den engen Versammlungsbegriff eine Versammlung bejaht.

Auch eine Verletzung von Art. 14 GG in Bezug auf die sichergestellten Westen wurde nicht ausgeschlossen. Zuletzt wurde noch eine Verletzung des Rechts auf informelle Selbstbestimmung nach Art. 2 I i.V.m. Art. 1 I GG bejaht. Beim Prüfungspunkt „richtiger Klagegegner“ wurde diskutiert, wer denn der richtige Klagegegner ist. Nach § 78 VwGO gilt das Rechtsträgerprinzip. Hier wurde dann der Bürgermeister als Ordnungsbehörde als Klagegegner festgelegt.

Die Begründetheitsprüfung begann mit dem Finden einer Ermächtigungsgrundlage. In Bezug auf die Sicherstellung war dies § 43 PolG NRW i.V.m. § 24 OBG, in Bezug auf den Platzverweis § 34 PolG NRW i.V.m. § 24 OBG.

Im Rahmen der materiellen Rechtmäßigkeit wurde die Rechtsbegriffe „öffentliche Sicherheit“ und „öffentliche Ordnung“ definiert. Es wurde noch kurz angesprochen, ob ein Verstoß gegen § 3 VersG vorliegt.

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