Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im August 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 4,5 |
Aktenvortrag | 5 |
Prüfungsgespräch | 5 |
Endnote | 4,7 |
Endnote (1. Examen) | 6,2 |
Prüfungsgespräch:
Referendarin L war Eigentümerin eines PKW. Sie befand sich aber im Ausland und vereinbarte mit dem P, dass er in dieser Zeit den PKW nutzen darf, aber die Kosten tragen muss. Der PKW hatte in dieser Zeit einen Motorschaden, sodass P ihn in einer Werkstatt reparieren ließ. Er hatte aber kein Geld und bezahlte daher die Rechnung nicht. Als L zurückkehrte, verlangte sie die Herausgabe des PKW, was der Unternehmer aber mangels Zahlung verweigerte.
Zu prüfen war, ob L die Herausgabe des PKW vom Unternehmer verlangen kann.
Der Anspruch könnte sich aus § 985 BGB ergeben. L ist Eigentümerin des PKW und der Unternehmer ist Besitzer.
Fraglich ist, ob der Unternehmer ein Recht zum Besitz gem. § 986 BGB hat. P hat ihm zum Zweck der Reparatur ein Besitzrecht eingeräumt. Das Besitzrecht endete aber damit, dass L die Herausgabe des PKW verlangt hat.
Zu prüfen war, ob sich ein Recht zum Besitz aus einem Unternehmerpfandrecht gem. § 647 BGB ergibt. Ein Werkvertrag gem. § 631 BGB wurde zwischen dem Unternehmer und P geschlossen. Der Unternehmer hat eine Forderung aus diesem Vertrag, nämlich die Werklohnforderung. Der Unternehmer ist auch Besitzer. Problematisch ist aber, dass es sich um eine Sache des Bestellers handeln muss. Das bedeutet, dass dieser Eigentümer sein muss. P war Besteller, aber nicht Eigentümer, sodass diese Voraussetzung nicht vorlag. Ein Unternehmerpfandrecht konnte somit nicht nach § 647 BGB erworben werden.
Dann war zu prüfen, ob der Unternehmer das Unternehmerpfandrecht gutgläubig erwerben konnte.
Ein gutgläubiger Erwerb eines vertraglichen Pfandrechtes findet gem. § 1207 BGB statt. Das Unternehmerpfandrecht ist aber ein gesetzliches Pfandrecht. Für diese verweist § 1257 BGB auf §§ 1204 ff. BGB, also auch auf § 1207 BGB. § 1257 BGB erfordert aber ein bereits entstandenes Pfandrecht, während es im vorliegenden Fall gerade um die Entstehung geht. Ein gutgläubiger Erwerb nach diesen Vorschriften scheidet also aus.
Es wurde auch darüber diskutiert, ob § 1207 BGB analog angewendet werden kann, was aber zu verneinen ist.
Es war weiterhin zu prüfen, ob der Unternehmer ein Zurückbehaltungsrecht gem. § 320 BGB hat. Dies erfordert aber eine synallagmatische Verknüpfung der Forderungen, was hier nicht vorliegt.
Daher war § 273 BGB zu prüfen. Dieser erfordert nur eine Konnexität, es muss also nur ein einheitliches Lebensverhältnis vorliegen. Es wurde gefragt, ob hier § 273 I BGB oder § 273 II BGB einschlägig ist. Lösung: § 273 II BGB.
Es wurde die Frage diskutiert, ob aus einem Zurückbehaltungsrecht überhaupt ein Recht zum Besitz im Sinne von § 986 BGB folgt.
Es wurde der Frage nachgegangen, welche Gegenansprüche der Unternehmer gegen L hat, die er im Wege eines Zurückbehaltungsrechtes geltend machen könnte. Fraglich war also, aus welchen Anspruchsgrundlagen der Unternehmer von L die Reparaturkosten verlangen kann.
Hierbei war zu prüfen, ob die Vorschriften der GoA einschlägig sind. Problematisch war, ob der Unternehmer ein fremdes Geschäft geführt hat. Er hat die Reparatur aber durchgeführt, um seine Verpflichtung aus dem Werkvertrag zu erfüllen, sodass kein fremdes Geschäft vorlag und die Regelungen der GoA nicht einschlägig sind.
Als weitere Anspruchsgrundlage kamen die §§ 994 ff. BGB in Betracht. Der Verwendungsersatzanspruch aus §§ 994 ff. BGB würde zu einem Zurückbehaltungsrecht gem. § 1000 BGB führen. Für den Verwendungsersatzanspruch ist aber das Vorliegen eines EBV erforderlich. Zum Zeitpunkt der Reparatur hatte der Unternehmer ein Recht zum Besitz, aber jetzt nicht mehr. Es wurde daher darüber diskutiert, ob es ausreicht, dass jetzt eine Vindikationslage besteht. Dafür spricht, dass der der zunächst berechtigte Besitzer nicht schlechter stehen soll, als der der von Anfang an nicht berechtigte Besitzer.
Es wurde auch geprüft, nach welcher Anspruchsgrundlage L von P die Zahlung der Reparaturkosten verlangen kann. P hat eine Nebenpflicht aus dem zwischen ihm und L geschlossenen Mietvertrag verletzt. Sie kann daher Schadensersatz nach § 280 I BGB verlangen. Es wurde der Frage nachgegangen, warum nicht § 280 I, III BGB einschlägig ist. Lösung: Es handelt sich nicht um Schadensersatz statt der Leistung, da es nicht ein Ersatz für das ursprünglich geschuldete ist.