Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – NRW vom Mai 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem Ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW vom Mai 2017. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen:  Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1
Vorpunkte 46
Zivilrecht 11
Strafrecht 11
Öffentliches Recht 11
Endpunkte 83
Endnote 8,3

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: BGB AT, Schuldrecht AT

Paragraphen:  §91 ZPO, §125 BGB, §126 BGB, §145 BGB, §242 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort

Prüfungsgespräch:

Zunächst stellte der Prüfer zum Einstieg einen kleinen, leichteren Fall. Es ging um eine GmbH, die den Dienstvertrag mit dem Geschäftsführer fristlos kündigte und daneben den Gesellschafter abberufen hat.
der Prüfer fragte, warum beides – sowohl die Abberufung als auch die Kündigung – erforderlich wäre.
Auch fragte er, wie man die Vertretung durch den Geschäftsführer nennt. Hier wollte er den Begriff „Organvertreter“ hören.
Danach ging der Prüfer noch auf das Kostenrecht ein. Da im Bereich des Gesellschaftsrechts meistens Vergütungsvereinbarungen zwischen Anwälten und Mandaten geschlossen werden, liegen die Kosten deutlich über den gesetzlich vorgesehenen Kosten des RVG. Gem. § 91 II ZPO werden aber nur die gesetzlichen Kosten erstattet.
Bezüglich der restlichen Kosten könnte der Geschäftsführer, falls er den Prozess gewinnt, aber gem. § 280 I BGB die Kosten ersetzt verlangen, da er sich herausgefordert fühlen durfte, einen Anwalt mit Vergütungsvereinbarung zu beauftragen.
Danach stellte der Prüfer einen Fall, den er selbst bearbeitet hat. Es ging um eine GmbH (Fußballverein). Diese hatte von verschiedenen Sponsoren (Gläubigern) jeweils Darlehen in Höhe von 1 Million Euro erhalten.
Als es dem Verein finanziell schlechter ging, wollte die GmbH auf einer Versammlung erreichen, dass die Gläubiger einen Verzichtsvertrag abschließen und auf 80 % ihrer Rückforderungen verzichten. Auf der Versammlung konnte keine Einigung erzielt werden.
Später erhielt dann jeder Gläubiger ein Schriftstück, das die Überschrift „Verzichtsvertrag zwischen dem Gläubiger … und der … GmbH“ trug.
In § 1 wurde festgelegt, dass der Gläubiger gegen die GmbH eine Darlehensforderung von 1 Mio. € hat.
Nach § 2 verzichtet der Gläubiger auf 80 % der Forderung unter der Bedingung, dass er binnen eines Monats nach Abschluss dieses Vertrages 200.000 € erhält.
Der letzte § legt fest, dass Änderungen dieses Vertrages und Änderungen dieser Klausel der Schriftform bedürfen.
Darunter war ein Feld für die Unterschrift des Gläubigers und ein Feld für die Unterschrift des Geschäftsführers vorgesehen.
Gläubiger G hatte dieses Schriftstück unterzeichnet an die GmbH zurückgesendet. Zwei Wochen später erhielt er eine Überweisung über 200.000 €. Alle anderen Gläubiger bekamen das Dokument unterschrieben vom Geschäftsführer zurück. G erhielt kein Dokument.
Zwei Jahre später verlangte G die Rückzahlung der restlichen 800.000 €. Wir sollten nun prüfen, ob G ein Anspruch auf Rückzahlung hat.
Anspruchsgrundlage war hier § 488 I 2 BGB. Der Anspruch war auch problemlos entstanden. Allerdings könnten G und die GmbH einen Verzichtsvertrag geschlossen haben.
Hier musste festgestellt werden, dass die Übersendung des Dokuments seitens der GmbH eine Invitatio Ad Offerendum darstellt, da die GmbH selbst noch prüfen wollte, ob sie die 200.000 € überhaupt zahlen kann.
Die Rücksendung des unterschriebenen Dokuments seitens G stellte ein Angebot dar. Dieses hatte die GmbH auch angenommen. Der Verzichtsvertrag war also grundsätzlich zustande gekommen.
Allerdings war hier problematisch, dass der Vertrag eine doppelte Schriftformklausel enthielt. Der Vertrag könnte nach § 125 S. 2 BGB nichtig sein, wenn die Parteien durch Rechtsgeschäft die Schriftformklausel vereinbart haben.
Hier lag ein Angebot seitens der GmbH durch Übersendung der Schriftformklausel vor. Dieses Angebot hat G auch angenommen, sodass eigentlich vom objektiven Empfängerhorizont davon ausgegangen werden konnte, dass die Schriftform auch schon für den Abschluss des Vertrags gelten sollte (Beweis- & Warnfunktion). Nach § 126 BGB hätte G eine unterschriebene Fassung des Vertrages erhalten müssen. Dies ist hier nicht geschehen, sodass der Vertrag eigentlich nichtig sein müsste.
Zu berücksichtigen war aber, dass die Beweis- und Warnfunktion trotzdem eingehalten wurde, weil G durch das Dokument gewarnt wurde und die GmbH, die ein Interesse am Beweis des Vorliegens des Vertrags hat, das unterschriebene Dokument erhalten hat. Somit fand § 126 BGB ausnahmsweise keine Anwendung.
Daneben sollten wir auf § 242 BGB eingehen, da es widersprüchlich war, die 200.000 € anzunehmen und dann trotzdem die 800.000 € zu verlangen.
Außerdem wäre der Anspruch verwirkt.

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