Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
9 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
Gesamtnote 1. Examen |
9 | 2 | 3 | 4 | 5 | 6 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: Unechte und echte Unterlassungsdelikte Fahrlässigkeit Garantenstellung Abgrenzung Vorsatz Fahrlässigkeit
Paragraphen: §212 StGB, §13 StGB, §323c StGB, §17 StGB, §222 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen
Prüfungsgespräch:
Pfarrer P reist über das Wochenende mit 5 Jugendlichen im Alter zwischen 15-16 Jahren in eine
Jugendherberge bei Kleve. Pfarrer P bewohnt dort auf demselben Flur ein Einzelzimmer, während die Jugendlichen sich ein Gruppenzimmer teilen. Ebenso auf demselben Flur ist eine Gruppe junger Mädchen im selben Alter untergebracht. Freitag abends ziehen alle Jugendlichen gemeinsam los und kehren für P in seinem Zimmer akustisch wahrnehmbar stark alkoholisiert in die Jugendherberge zurück. Gegen 1 Uhr nachts wird P durch ein Wimmern, Röcheln und leise Hilferufe geweckt. Er lugt einen Spalt weit aus seinem Zimmer auf den Flur und verortet die Geräusche aus dem Mädchenzimmer. Nicht hingegen aus dem Zimmer seiner Jungen. Er beschließt daraufhin nicht im Zimmer der Jungen nach dem Rechten zu sehen und meint, auch nicht nach den Mädchen schauen zu müssen, da er für diese schließlich nicht verantwortlich sei. Gegen 3 Uhr nachts wird er von zwei Jungen gerufen. Der F, einer der Jungen, hat eine akute Alkoholvergiftung und muss sich erbrechen. P ruft unverzüglich einen Krankenwagen, der den F sofort ins nächstgelegene Krankenhaus bringt, wo er umgehend behandelt wird. Alle Rettungsbemühungen sind jedoch vergebens. F stirbt an den Folgen der Alkoholvergiftung. Wäre der F bereits zwei Stunden zuvor, also um 1 Uhr nachts, eingeliefert worden, hätte er gerettet werden können. Wie ist die Strafbarkeit von P? Zunächst sollte der SV zusammengefasst und die möglichen einschlägigen Delikte gesammelt werden. 212,13; 222,13; 323c Im Anschluss fragte Herr k, wie man Unterlassungsdelikte kategorisieren könne. Also in unechte (212,13) und echte (323c) und was der Unterschied sei. Daraufhin wurde gefragt, mit welchem Delikt weshalb die Prüfung begonnen werden sollte. § 212, 13 wegen der höchsten Strafandrohung. Nun kam die Frage nach der Garantenstellung und der Garantenpflicht. Es wurden die verschiedenen Garanten dargestellt (Beschützer und Überwacher Garant) und es sollte ein Beispiel gebildet werden, wann beides vorläge. Mutter, die mit ihrem Kind über die Straße liefe, müsse Sorge dafür tragen, dass Kind keinen Schaden nimmt. Beschützergarant. Hingegen ist sie ebenso als Überwacher Garant verpflichtet, ihr Kind davor zu bewahren, Schäden an fremden Sachen zu verursachen. Der Prüfer fragte im Anschluss wer die Grundsätze zur Garantensteölung als Erstes entwickelt hätte und wie die entwickelte Lehre hieße. Sogenannte Funktionenlehre vom Reichsgericht. Dann wurde die objektive Zurechnung geprüft, der Schutzzeck der Norm und der pflichtwidrigkeitszusammenhang angesprochen und bejaht. Ebenso angesprochen wurde eine eigenverantwortliche Selbstgefährdung, aber abgelehnt. Im Anschluss wurde die objektive Vorhersehbarkeit thematisiert und dass diese aus objektiver Ex ante Sicht eines verständigen Dritten aus dem Verkehrskreis des Täters erfolgt. Die RWK wurde bejaht. In der Schuld wurde die subjektive Fahrlässigkeit abgesprochen und was diese umfasst. Nunmehr wurde 323c geprüft und die Tatbestandsvoraussetzungen genannt. Es wurde die Erforderlichkeit thematisiert und gefragt, ob diese denn auch gegeben sei, wenn F ohnehin nicht hätte gerettet werden können. Ein vermeidbarer Gebotsirrtum wurde geprüft an § 17 angeknüpft und verneint hinsichtlich der Frage, ob P denn hätte handeln müssen, wenn bei den Mädels denn ein Unglücksfall vorgelegen hätte. Im Anschluss sollten Überlegungen angestellt werden, warum dieser vermeidbar war. P hätte dann die Aufsicht der Mädchen oder zumindest die Herbergsleitung einschalten müssen. Zu guter Letzt erläuterte der Prüfer selbst die Konkurrenzen, weil die Zeit zu weit fortgeschritten war. Die Delikte stünden zueinander in Idealkonkurrenz, wobei 323c konsumiert würde.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in NRW im Oktober 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.