Protokoll der mündlichen Prüfung zum 1. Staatsexamen – Rheinland-Pfalz vom Juli 2024

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

5,5

Endnote

6,94

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle, protokollfest

Prüfungsthemen: Abstrakte Normenkontrolle, freies Mandat, Verhältnis von POG/VersG, aktuelle Fragen zu Versammlungen, Art. 125a GG, Besonderheit in RLP der Rechtsausschüsse

Paragraphen: §38 GG, §93 GG, §10 PolG, §15 VersG, §76 GG

Prüfungsgespräch:  Frage-Antwort-Diskussion, verfolgt Zwischenthemen

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teilt uns den abgedruckten §14 AbgG aus und schildert uns zügig zunächst einen Fall, den wir mitschreiben müssen: Im Bundestag im Plenum sitzen nicht mehr so viele Abgeordnete wie früher. Die Bundesregierung fürchtet das dadurch die Akzeptanz der Demokratie leidet. Sie will §14 AbgG so ändern, dass ab 2025 jedem Abgeordneten die Kostenpauschale i.H.v. 50% gekürzt wird, sollte er sich nicht 25% der Sitzungen in die Anwesenheitsliste eintragen. Die Bunderegierung ist der Meinung, das freie Mandat beinhaltet nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten. Die Oppositionspartei C hält das für verfassungswidrig. Es kann nicht sanktionierbar sein, dass man nicht anwesend ist, §14 AbgG hat auch gar keinen Sanktionscharakter. Die Bunderegierung leitet den Entwurf an die Fraktion weiter und die bringt ihn in den Bundestag ein. Das Gesetz kommt im ordnungsgemäßen Verfahren zu Stande und wird ausgefertigt. Die Bundesregierung stellt form- und fristgerecht einen Antrag auf Prüfung der Verfassungsmäßigkeit. Wie würden Sie beginnen? Alle sind etwas überrascht von dem Fall, aber wir erarbeiten uns das Stück für Stück und wechseln häufig die Kandidatinnen. Die erste Kandidatin nennt die richtige Antragsart: die abstrakte Normenkontrolle. Zunächst prüfen wir die Zulässigkeit. Die Normen für die Zuständigkeit des BVerfG sind zu nennen. Die Kandidatin nennt erst Art. 100 GG für die konkrete NK, aber korrigiert sich direkt: Art. 93 I Nr. 2 GG, §§13 Nr. 6 BVerfGG. Die Zulässigkeit wird zügig durchgeprüft: Beteiligtenfähigkeit gem. §76 I BVerfGG, Antragsgegenstand und Antragsbefugnis liegen für Bundesrecht gem. §76 I Nr. 1 BVerfGG vor. Form und Frist wurden eingehalten, daher zulässig. Der Obersatz für die Begründetheitsprüfung ist zu nennen und der Prüfer fragt, was wir in der Begründetheit überhaupt prüfen: Die materielle und die formelle Verfassungsmäßigkeit. Wir starten mit der formellen Verfassungsmäßigkeit und die Kandidatin nennt den Dreiklang von Zuständigkeit, Verfahren und Form. Was prüfen Sie also in der Zuständigkeit? Ob die Gesetzgebungskompetenz vorliegt. Und was würden Sie da sagen? Die Kandidatin liest im Gesetz und führt zunächst den Grundsatz in Art. 70 GG aus und erklärt, was ausschließliche und konkurrierende Gesetzgebungskompetenz bedeutet. Sie geht den Katalog durch, findet nicht direkt die richtige Nummer und erklärt, dass aber auf jeden Fall kraft Sachzusammenhangs der Bund Gesetzgebungskompetenz hat, und der Prüfer belässt es auch dabei. Beim Verfahren nennt die nächste Kandidatin zunächst Art. 76 I GG. Da die Fraktion die Mitte des Bundestages darstellt, wurde die Vorlage korrekt eingebracht. Der Prüfer fragt nach, ob man damit Bauchschmerzen haben könnte, dass die Bundesregierung, die Vorlage nicht direkt eingebracht hat, ob es dort einen Unterschied gibt. Die Kandidatin erkennt, dass für Vorlagen der Bundesregierung noch ein Zwischenschritt gilt, da sie zunächst dem Bundesrat zuzuleiten sind nach Art. 76 II 1 GG. Sie argumentiert, dass das aber unschädlich ist, da der Bundesrat nicht komplett übergangen wird, sondern später im Gesetzgebungsverfahren nach Art. 77 I eh noch beteiligt ist. Die nächste Kandidatin ergänzt noch, dass das lediglich eine Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens darstellt, die zulässig und praxisnah ist. Die Form nach Art. 82 I GG wurde eingehalten. In der materiellen Verfassungsmäßigkeit fragt der Prüfer, wie wir prüfen, ob das freie Mandat betroffen ist. Die Kandidatin nennt, dass wir Schutzbereich, Eingriff und Rechtfertigung prüfen und der Prüfer ergänzt, dass wir nun also prüfen, ob eine Beeinträchtigung des Schutzbereichs vorliegt. Was würden Sie da sagen? Die gleiche Kandidatin nennt Art. 38 I GG und dass das freie Mandat auch die Arbeitsweise schützt und eine Vorgabe für die Anwesenheit auch in den Schutzbereich eingreift. Die nächste Kandidatin will direkt auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu sprechen kommen, aber der Prüfer fragte einmal nach und gab dann an die nächste Kandidatin weiter, weil er zunächst hören wollte, dass wir „praktische Konkordanz“ herstellen müssen. Die erste Kandidatin darf weitermachen und benennt, dass wir Art. 38 I GG auf der einen Seite und das Demokratieprinzip auf der anderen Seite berücksichtigen müssen. 3 Kandidatinnen dürfen Argumente nennen. Alle kommen zu dem Ergebnis, dass die Repräsentationsfähigkeit schon hoch wiegt und auch nur eine Anwesenheit von 25% gefordert wird. Aber dass es im Vergleich zur alten Regelung unverhältnismäßig stark eingreift, wenn ein Abgeordneter, der 26% da ist, alles bekommt und jemand, der 24% der Zeit anwesend ist, die ganze Kürzung trifft. Das Gesetz ist unangemessen und materiell rechtswidrig. Der Prüfer möchte nun ins Verwaltungsrecht wechseln und schildert wieder einen Fall: Sie kennen die jüngsten Demonstrationen aus der Presse wie Klimakleber oder auch die Bauerndemonstrationen. B aus Bitburg möchte in Trier bei der Kundgebung der letzten Chance mitmachen und reist dafür mit dem Bus an. Er wird bei der Anreise von der Polizei für eine Identitätsfeststellung angehalten. Was könnte man sich da zunächst fragen? Die erste Kandidatin nennt, dass man prüfen könnte, ob ein Verwaltungsakt vorliegt. Der Prüfer erwidert, dass wir annehmen, dass es einer ist und fragt, wo wir dazu eine passende Norm finden. Die Kandidatin nennt das POG und schaut ins Gesetz. §10 POG wird von der nächsten Kandidatin gefunden. Der Prüfer macht uns darauf aufmerksam, dass es ja aber noch ein Gesetz gibt, dass der Polizei erlaubt, bei Versammlungen einzugreifen. Er möchte wissen, welches das ist und wo speziell die passende Norm zu finden ist. Die Kandidatin nennt §15 VersG. Die nächste Kandidatin weiß, dass Versammlungen polizeifest sind und grundsätzlich dann das VersG anzuwenden ist. Aber bei Vorfeldmaßnahmen gilt noch das POG. Der Prüfer fragt, ob die Kandidatin ein Problem darin sieht, dass das VersG als Bundesrecht von der Landesbehörde der Polizei angewendet wird. Die Kandidatin nennt Art. 83 GG, das war aber nicht die richtige Norm. Die nächste Kandidatin nennt Art. 125a GG und erläutert kurz die Entstehungsgeschichte des VersG. Darauf wollte der Prüfer auch hinaus. Als nächstes fragt er, ob man einfach im Berufsverkehr Straßen sperren kann oder die Traktoren die Autobahnen blockieren dürfen. Die Kandidatin nennt, dass eine bloße Behinderung Dritter nicht ausreicht, um nicht mehr geschützt zu sein. Dann möchte er den speziellen Begriff für solche Versammlungen wissen, die sich fortbewegen. Aufzug war die richtige Antwort. Abschließend möchte der Prüfer wissen, welche Besonderheit es in RLP gibt, wenn Widersprüche bei der Stadt Trier bearbeitet werden. Die erste Kandidatin nennt die ADD. Der Prüfer sagt, wir sollen nur an die Stadt denken und ob die Kandidatin eine Norm in der AVwGO kennt. Die nächste Kandidatin weiß es und nennt die Rechtsauschüsse und erklärt, was sie tun. Eine Kandidatin schneidet dann noch das Thema Reformation in peius an und der Prüfer möchte von 2 Kandidatinnen dazu Theorien hören. Dann ist die Prüfung beendet.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz vom Juli 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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