Prüfungsthemen: Öffentliches Recht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat |
1 |
Note staatl. Teil 1. Examen |
11,27 |
Wahlfach |
11 |
Gesamtnote 1. Examen |
12,13 |
Gesamtnote 2. Examen |
10,48 |
Prüfungsgespräch:
Die Prüferin stieg in die Prüfung mit den Worten ein „Keine Angst, bei mir müssen Sie keine auswendig gelernten Definitionen aufsagen, ich möchte einfach sehen, dass Sie juristisch denken können“. Sie hatte zu Beginn eine Gerichtsakte an den Plätzen verteilt, die wir Seite für Seite öffnen und analysieren sollten. Der Text wurde am Ende wieder eingesammelt, sodass ich mich nicht an alle Details erinnern kann. Es wurde eine Klage am Verwaltungsgericht eingereicht. Wir sollten uns fragen, was wir als Richter zuerst machen würden. Was kann man aus der Seite für Informationen ziehen? Hier wurde gegen einen Widerspruchsbescheid Klage erhoben, bzw. wurden 4 Aktenzeichen angegeben, aber gleichzeitig gegen den Widerspruchsbescheid vom 21.03.2018 ausdrücklich geklagt. Wir sollten den Klageantrag entsprechend auslegen und sie fragte jeden Kandidaten zu seiner Meinung. Dann kamen wir auf die Klagefrist des § 74 VwGO zu sprechen. Dabei hielten wir uns lange bei einem Kandidaten auf, der der Ansicht war, die Klagefrist ist erst durch Zustellung an die Gegenpartei gewahrt. Dem ist aber nicht so, die Klageerhebung ist eindeutig in § 81 VwGO geregelt, es genügt für die Fristwahrung der Eingang bei Gericht. Wir kamen dann wieder zur Auslegung zurück und zu der Frage, ob das Klagebegehren konkret genug ist. Im Ergebnis wurde nur der eine Bescheid vom 21.03.2018 angefochten. Dann wollte sie die Klageerweiterung hören und wo diese in der VwGO geregelt ist. Die Klage gegen die anderen Bescheide ist, da die Klageerweiterung nach Ablauf der Frist geschah, grundsätzlich verfristet. Allerdings war auch die Rechtsbehelfsbelehrung abgedruckt. Wir sollten dort mögliche Fehler suchen. Auch sollten wir die Konsequenzen von Fehlern in der Rechtsbehelfsbelehrung sagen. Hier war § 58 II VwGO anzusprechen, wonach sich die Frist auf ein Jahr verlängert. Hier war korrekt ein Monat angegeben und es wurde auf die schriftliche, elektronische und Einlegung zum Protokoll bei der Geschäftsstelle hingewiesen. Der vorliegende Fehler war m.E. sehr versteckt und fies, da auf eine Verordnung über elektronischen Rechtsverkehr von 2008 Bezug genommen wurde. Die Prüferin sagte uns dann, dass 2008 ja ganz schön lange her sei. Wir sollten doch mal in unserem Landesrecht nachschauen. Dort war sie nicht zu finden, woraus man allerdings m.E. nicht schließen kann, dass sie außer Kraft gesetzt wurde, da ja viele Gesetze und Landesverordnungen nicht in der Textsammlung stehen. Das war aber wohl der Clou, dass diese Verordnung nicht mehr existiert und daher die Belehrung im Widerspruchsbescheid nicht richtig war, sodass die Frist ein Jahr beträgt. Dann wollte sie noch wissen, was passiert, wenn Klägerin eine GmbH ist und der Ehemann der Geschäftsführerin erscheint. Was sollte man als Richter machen? Nach der Vollmacht fragen. Ehemann ist nicht gesetzlicher Vertreter nach § 35 I GmbHG, könnte aber bevollmächtigt sein. Er holt eine Vollmacht raus, wonach seine Ehefrau ihn bevollmächtigt. Die Vollmacht hätte aber von der GmbH ausgestellt werden müssen. Hier lag nach Auslegung nur Vertretungsmacht für Privatperson vor. Was ist die Konsequenz? Die GmbH ist nicht wirksam vertreten, also säumig. Im Verwaltungsprozess kann aber auch in Abwesenheit der Parteien verhandelt und eine Entscheidung getroffen werden. Dann kam sie zu einem materiellen Fall, den sie diktierte. Die Stadt M hat 100% der Anteile an der M-GmbH. Diese stellt eine App her, worüber Handwerker (10 Stück) gelistet werden mit Namen, Tel., Adresse und Link zur Firmenwebsite. Die M-GmbH entscheidet über die Aufnahme nach dem Bekanntheitsgrad. H ist neuer Handwerker in der Stadt und möchte aufgenommen werden, was jedoch abgelehnt wird, da er noch keine Website besitzt und daher nicht bekannt genug ist. Dagegen möchte er gerichtlich vorgehen. Zu prüfen war Zulässigkeit und Begründetheit der Klage. Wir prüften die Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges nach § 40 VwGO. Hier war auf die Zwei-Stufen-Theorie abzustellen. Ein Anspruch könnte sich hier aus § 14 II GemO ergeben, da die App eine öffentliche Einrichtung sein könnte. Die Entscheidung über das „ob“ der Zulassung könnte also öffentlich-rechtlich sein. Dafür müssten die Voraussetzungen vorliegen. Wir sollten öffentliche Einrichtung definieren und subsumieren. Dann wollte die Prüferin wissen, ob die Voraussetzungen des § 14 II GemO bereits an dieser Stelle geprüft werden soll oder nicht. Sie fragte auch, wie es in anderen Gebieten wie dem Zivilrecht war. Im Ergebnis war das zu bejahen, da es sich um rechtswegbestimmende Tatbestandsmerkmale handelt. Weiter kamen wir nicht, da die Zeit abgelaufen war.
Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Rheinland-Pfalz im November 2021. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.