Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem ersten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung im Saarland im August 2019. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 8,78 |
Zivilrecht | 13 |
Strafrecht | 13 |
Öffentliches Recht | 14 |
Endpunkte | 150,25 |
Endnote | 10,01 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer knüpfte zu Beginn seiner Prüfung an unseren Aktenvortrag an, der ein Berufungsverfahren zum Gegenstand hatte. Er fragte dabei sehr in die Tiefe mehrere Regelungen aus dem Berufungsrecht ab.
Zunächst ging es darum, wann und unter welchen Voraussetzungen das Berufungsgericht die Beweisaufnahme wiederholt. Dabei wollte der Prüfer darauf hinaus, dass dies immer dann passieren muss, wenn das Berufungsgericht eine andere Beweiswürdigung vornehmen möchte und es auf den persönlichen Eindruck für die Würdigung ankam. In diesem Zusammenhang fragte er nach Details in den §§ 529 und 531 ZPO. Der Prüfer sprang recht viel im Berufungsrecht hin und her. Er kam dann zu § 528 ZPO. Dort wollte er die beiden Prinzipien ne ultra petita (unbedingt auch § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO nennen) und reformatio in peius hören und erklärt haben. Er fragte nach Ausnahme vom Grundsatz der reformatio in peius (sog. Punktesachen im Baurecht und bei den Schadenspositionen beim Verkehrsunfall; Summe darf aber nicht zum Nachteil des Berufungsführers verändert werden). Dann fragte er noch, wie in vielen anderen Prüfungen davor auch intensiv nach dem § 522 ZPO. Hier war dann auch wieder das rechtliche Gehör anzubringen. Kurz wollte er noch die Vor- und Nachteile der Anschlussberufung nach § 524 ZPO hören. Zum Abschluss der prozessualen Prüfung kam er zur Frage, welche Möglichkeiten der Entscheidung es im Berufungsverfahren gibt (Entscheidung durch Berufungsgericht in der Sache und Zurückverweisung). Die Zurückverweisung nach § 538 ZPO mit Beispielen fragte er dann noch sehr intensiv ab. Dabei wollte er hören, dass der Hauptfall der Zurückverweisung in § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO geregelt ist und der zentrale Verfahrensfehler die Verletzung des rechtlichen Gehörs ist.
Wir hatten nach diesem Teil nur noch etwa eine Viertelstunde Zeit. Der Prüfer diktierte uns einen Fall, der bisher nicht in den Protokollen vorkam. Dieser Fall war aber einige Tage vor unserer Prüfung als Aktenvortrag (in einer Prüfung von Herrn Barth) gestellt worden.
Der A parkte sein Fahrzeug auf einem Parkstreifen an der Franz-Josef-Röder-Straße in Saarbrücken.
Vor ihm auf dem Parkstreifen stand ein größeres Fahrzeug mit einem Anhänger, das dem B gehörte.
Dieser hatte hinter den Anhänger einen Pylonen aufgestellt, um so Platz zum Entladen des Anhängers zu haben. Als A sein Auto abstellte, war B nicht in der Nähe. Außerdem parkte hinter A noch kein Auto. Als A nach einigen Stunden aus der Innenstadt zurückkam, stand eng hinter ihm ein weiteres Auto. Der B war zu diesem Zeitpunkt mit dem Entladen seines Anhängers beschäftigt. Um leichter ausparken zu können, forderte der A den B auf, den Pylonen etwas zu verschieben. B weigerte sich und stellte sich auf den Pylonen um diesen zu schützen. A stieg in sein Auto ein und fuhr mit Schrittgeschwindigkeit nach vorne. Streitig zwischen den Parteien blieb, ob A vor dem B zum Stehen kam oder ob er ihn leicht angefahren hat. Unstreitig hat B aber mit der Faust auf die Motorhaube des Autos des A geschlagen und dort eine tiefe Delle verursacht. Die Reparatur kostete 1200 Euro. A konnte dann auch ohne Verschieben des Pylons ausparken und wegfahren. A will Schadensersatz von B. Zeugen wurden keine benannt. Zu klären war auch das zuständige Gericht, da es ein (fiktives) Zentralgericht für zivilrechtliche Verkehrssachen, das Amtsgericht Völklingen, geben sollte.
Zunächst wurde die Zuständigkeit des Gerichts geklärt. Entscheidend war dabei, ob es sich bei dem Sachverhalt um einen Verkehrsunfall handelte oder nicht. Darüber wurde diskutiert und die Zuständigkeit des Zentralgerichts angenommen, da der Begriff der zivilrechtlichen Verkehrssachen weit zu verstehen sei. In diesem Zusammenhang fragte der Prüfer noch, wonach sich grundsätzlich die Prüfung der Zulässigkeit richtet (Vorbringen des Klägers, Schlüssigkeit).
Materiell wurde zuerst ein Anspruch des A aus § 7 Abs. 1 StVG geprüft und verneint. Schlagwort war dabei die fehlende verkehrstypische Gefährlichkeit des Fahrzeugs des B. Das Entladen des Anhängers war daher nicht „Betrieb eines Kraftfahrzeugs“. Im Anschluss daran prüften wir § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB mit § 303 StGB. Hier wurde aufgrund der fortgeschrittenen Zeit nur noch die Problematik der Rechtswidrigkeit angesprochen. Eine mögliche Notwehr nach § 227 BGB wurde kurz angeprüft und verneint, da B als Beweisbelasteter beweisfällig blieb hinsichtlich des gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriffs. In diesem Zusammenhang fragte der Prüfer noch kurz die Parteivernehmung (§ 448 ZPO) und die informatorische Anhörung (§ 141 ZPO) ab. Insbesondere wollte er wissen, ob auch der informatorischen Anhörung Beweiswert zukommen kann (ja, kein geringer Beweiswert als z.B. Zeugenbeweis). Wir stellten hier ein non liquet fest und kamen dann noch (unsystematisch) zu einer Erörterung eines möglichen Mitverschuldens des A. Hierbei wollte Herr Barthkurz den Sachverhalt in strafrechtlicher Hinsicht subsumiert haben (Nötigung, § 240 StGB). Diese dürfte aber entgegen seiner Annahme nicht greifen, wenn A vor B gestoppt hat, da wohl dann keine Gewalt vorläge. Dies problematisierte der Prüfer nicht. Er wollte aber noch kurz auf die Verwerflichkeit und dabei auf die Möglichkeit des Ausparkens auch ohne Verschiebung des Pylons hinaus. Er kam dann zu einer Prüfung des Mitverschuldens (§ 254 BGB). Diese fiel sehr knapp aus und blieb ohne richtiges Ergebnis.
Damit war die Prüfung zu Ende.
Viel Erfolg!