Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg im April 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsgespräch:
Geschildert wurde folgender Sachverhalt: Vor dem Landgericht wird ein Angeklagter wegen Raubes verurteilt. Er hat einer älteren Dame die Handtasche geklaut und diese hierfür verletzt. Seine Verurteilung beruht auf zwei Aspekten.
- Die alte Dame hat den Angeklagten erkannt.
- Das Alibi des Angeklagten ist gescheitert. 2 seiner Freunde, die auch bei der Festnahme des
Angeklagten zugegen waren, haben sich zunächst nicht geäußert. In der Hauptverhandlung sagen sie nun aus und geben dem Angeklagten ein Alibi. Diesen Aussagen glaubt das Gericht nicht.
Was kann der Angeklagte nun tun, wenn er sich gegen das Urteil wehren möchte?
Kandidatin 1 begann mit der Möglichkeit der Revision. Sie sagte zwar kurz, dass diese auch zulässig sein müsste, hat aber die Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht im Einzelnen angesprochen. Das würde ich nicht empfehlen, denn es wären geschenkte Punkte gewesen. Sie ging dann bestimmt 5 Minuten darauf ein, dass das Gericht hier den Fehler gemacht habe, die Zeugen (die 2 Freunde) unzulässiger Weise als nicht überzeugend anzusehen und dass, das nicht gehen würde. Sie kam zu dem Ergebnis, dass dies mit der Inbegriffsrüge in der Revision geltend gemacht werden könnte und revisibel sei. Das halte ich persönlich für komplett falsch. Dass der Prüfer ebenfalls dieser Auffassung ist, hat sich im Laufe der Prüfung noch herausgestellt, dieser aber sonst als Kapitalfehler bezeichnete Fehler hat sich in der Note jedoch überhaupt nicht niedergeschlagen.
Ich sollte dann weitermachen und erklären, ob ich auch der Meinung sei, dass die Beweiswürdigung des Tatgerichts falsch sei. Ich find dann erst einmal damit an, dass die Beweiswürdigung ureigenste Aufgabe des Tatgerichts ist und in der Revision nicht einfach beliebig überprüft werden kann, sondern nur dann, wenn sie offensichtliche Lücken aufweist, in sich widersprüchlich ist oder gegen Denk- und Erfahrungssätze verstößt. Das wollte der Prüfer auch hören. Ich sollte dann erklären, ob ich die Beweiswürdigung für angreifbar halte. Ich verneinte und das war wohl auch richtig.
Wie kann man eigentlich so ein Wiedererkennen durch das Opfer ausgestalten? Hier kam die Erklärung, dass man nicht einfach nur eine Person gegenüberstellen darf, sondern mehrere ähnlich aussehende Personen (ähnlich wie bei der Wahllichtbildvorlage).
Neuer Fall: Ehefrau F greift ihren schlafenden Mann an, dieser überlebt den Angriff allerdings schwerverletzt und kommt ins Krankenhaus.
Was ist nun mit der Ehefrau zu tun, die auf der Polizeiwache ist?
– Belehrung § 136 StPO. Das Hauptproblem ist, dass die Ehefrau jetzt eine Aussage machen könnte und in der Hauptverhandlung von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 52 StPO Gebrauch machen könnte. Kurze Erklärung, dass nach § 252 StPO die Aussage nicht verlesen werden darf und auch die Verhörsperson nicht vernommen werden darf. Deshalb besser es wird gleich eine richterliche Vernehmung gemacht, da trotz § 252 StPO ausnahmsweise der Richter als Verhörsperson vernommen werden kann. Arg.: „Höherwertigkeit“ des richterlichen Protokolls zeigt sich in § 251 StPO.
Neuer Fall: Zuhälter schlägt seine Freundin, damit sie für ihn auf den Strich geht. Eines Tages geht sie zur Polizei. Was glauben sie wird passieren?
In der Praxis besteht die Gefahr, dass die beiden sich bis zur Hauptverhandlung verloben werden und der Freundin als Verlobten sodann ein Zeugnisverweigerungsrecht zustehen wird.
Wie ist die Lage hier? Kandidatin 1 war an der Reihe und erzählte irgendwas davon, dass man hier vorsorglich immer auch über das Zeugnisverweigerungsrecht für den Fall einer Verlobung gesprochen belehrt werden sollte. Kandidat 3 und ich sahen das kritisch. Aufgelöst wurde die Frage nicht mehr. Sollte aber einfach herauszufinden sein.
Irgendwann im Laufe der Prüfung haben wir noch über die Voraussetzungen eines Haftbefehls gesprochen und ob diese vorliegen. Allerdings kann ich mich nicht mehr erinnern wo das gewesen ist. Auch wurde thematisiert wann die StA etwas nach § 170 II StPO einstellt und was man mit der Einstellungsverfügung macht? Zustellen oder nicht förmlich zukommen lassen. Was kann der Verletzte tun? Wer erhält die Verfügung zuerst? – der Verletzte, damit der Angeklagte nur einmal Post bekommt, falls dieser Widerspruch einlegt. Was passiert, wenn nicht einverstanden mit der Einstellung, wer entscheidet dann? Der jeweilige Vorgesetzte bzw. die Generalstaatsanwaltschaft, da Weisungsgebundenheit innerhalb der Staatsanwaltschaft. Wer wenn die nicht abhelfen -Oberlandesgericht.
Es war nicht immer ganz klar, was der Prüfer hören möchte. Allerdings scheinen schwerwiegende Fehler, wie die Aussage von Kandidatin 1, dass in der Revision die Beweiswürdigung vollumfänglich überprüft werden können, nicht wirklich ins Gewicht zu fallen. Es wurden einfach die gleichen Noten verteilt. Warum Kandidat 3 einen Punkt besser gewesen sein sollte, hat sich uns nicht erschlossen.
Nicht einmal ihm selbst. Man hatte durchaus den Eindruck, es wurde nach Sympathie entschieden.
Viel Erfolg für deine Prüfung!
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