Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Baden-Württemberg vom Oktober 2020

Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Baden-Württemberg im Oktober 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3
Vorpunkte 4,97 4,86 4,76
Aktenvortrag 8 10 7
Prüfungsgespräch 12 9,66 9
Wahlfach 10 9 7
Endnote 6,71 6,28 5,79
Endnote (1. Examen) 0,1

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest, aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: AGB-Recht, Schuldrecht

Paragraphen: §305 BGB, §307 BGB, §308 BGB, §309 BGB, §310 BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort-Diskussion, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Die Prüferin schilderte folgenden Fall:
K möchte zu einem Konzert gehen. Hierzu geht er auf die Website des B, der einen Online-Marktplatz u.a. für Konzertkarten betreibt. Dort kauft K ein Ticket für das Konzert. Bei Abschluss des Kaufes hat K zwei Versandoptionen: 1. Premium-Versand, Preis inkl. Bearbeitungsgebühr 29,90 Euro; 2. Print-at home, Servicegebühr 2,50 Euro. Da er dringend zu der Veranstaltung und „auf Nummer sicher gehen“ möchte, wählt er den Premium-Versand und bestellt die Tickets.
Nach der Veranstaltung ärgert sich der K über den hohen Versandpreis für die Tickets. Er kommt zu ihnen als Rechtsanwältin und fragt, ob wann da was machen könnte. Es könne nicht sein, dass man für einen Ticketversand so viel zahlen müsse. Der potenzielle Mandant begehrte also die Rückzahlung der 29,90€.
Nach einem kurzen Schwenk zu den üblichen RA-Fragen (was tun Sie als erstes, wenn ein neuer Mandant zu ihnen kommt?), ging es mit der inhaltlichen Prüfung los. Meine Mitprüflinge stiegen leider etwas schief in die Prüfung ein, indem sie mit der Prüfung von Gewährleistungsrechten begannen (Rücktritt, Minderung), was sich deutlich in der Bewertung niederschlug.
Nachdem wir über 812LK bei der Wirksamkeitsprüfung des Vertrages im Hinblick auf die Versandkostenvereinbarung angekommen waren, schien die Prüferin erleichtert und die Prüfung ging flüssiger voran.
Hier sei vorab gesagt, dass die Prüferin eine schulbuchmäßige Prüfung nicht verlangt, einen aber unterbricht, sobald man wichtige Prüfungsabschnitte auslässt. Zu empfehlen ist also, den Vortrag systematisch und strategisch clever (Schwerpunktsetzung) aufzubauen. MaW alle Tb-Merkmale nennen, aber nur auf die wichtigen eingehen (also v.a. nicht direkt auf das Kernproblem des Falles springen, selbst wenn man es direkt erkennt!).
Zuerst diskutierten wir, ob überhaupt AGB vorlagen. Dies war mit der Definition in 305 leicht zu begründen. Bei der Frage der Einbeziehung ging ein Mitprüfling zunächst auf 305 II ein und prüfte die Voraussetzungen. Die Prüferin hakte aber nach und wollte auf 310 III hinaus (welcher auch an anderen Stellen in der Prüfung hilfreich war). Anschließend folgte die Inhaltskontrolle nach 307-309. Nachdem wir 308 und 309 relativ schnell ausgeschlossen hatten, prüfte mein Kollege etwas verfehlt die Voraussetzungen von Wucher in 307 hinein. Auch das hatte leider Folgen für die Benotung.
Im Rahmen der Anwendung der allgemeinen Prüfungsmaßstäbe von 307 fragte die Prüferin dann so lange kritisch nach, bis wir zum Kernproblem kamen. Die Definition und Subsumtion der unangemessenen Benachteiligung wurde dennoch wohlwollend zur Kenntnis genommen. Auch auf die Thematik, wer denn nach dem Gesetz die Kosten für den Versand zu tragen habe, gingen wir ein. In der Diskussion ging es dann vor allem um die Privatautonomie, Sinn und Zweck des AGB-Rechts und die Reichweite der Inhaltskontrolle. Da uns das Urteil des BGH nicht bekannt war, fiel das Stichwort „Preisnebenabreden“ nicht, was der Benotung aber nicht schadete.
Mit dieser Prüferin hat man eine gute Prüferin erwischt! Viel Erfolg!!