Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Hessen im November 2017

Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im November 2017. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

Prüfungsthemen: Strafrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat 1 2 3 4
Vorpunkte 6,93 8,55 10,9 6,6
Aktenvortrag 4 13 13 8
Prüfungsgespräch 8,6 11,6 12,3 10,3
Endnote 7,16 9,9 11,55 7,8
Endnote (1. Examen) 7,0

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Raub, versuchter Mord, Rücktritt, Körperverletzung, Richtervorbehalt bei Durchsuchung

Paragraphen: §249 StGB, §211 StGB, §224 StGB, §250 StGB, §105 StPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, lässt Meldungen zu, Intensivbefragung Einzelner, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teilte zu Beginn einen Fall aus und las diesen langsam auch noch zusätzlich vor. Darin war aus Sicht eines Polizeibeamten ein Vermerk geschildert, der im Wesentlichen eine wörtliche Aussage einer Frau enthielt, die zusammen mit ihrem Freund in einer Wohnung lebte und die aussagte, ihr Freund sei auf Grund von SMS, die er in ihrem Handy gefunden habe, von einer Affäre mit einem Bekannten ausgegangen. Er habe sie hieraufhin geohrfeigt und das Handy an sich genommen. Für kurze Zeit habe er den Raum verlassen, sodass sie die Polizei habe anrufen können. Ihr Freund sei dann aber noch einmal mit den Worten „ich bringe dich um !“ in dem Raum zurückgekehrt, habe ihr für längere Zeit ein Sofakissen in das Gesicht gedrückt, wodurch sie Luftnot bekommen habe wobei lt. Wiedergegebenem ärztlichem Gutachten keine abstrakte Lebensgefahr bestand). Schließlich habe er Geräusche gehört, wobei er wohl gedacht habe, dass dies die Polizei sei und habe dann die Wohnung verlassen und das Handy mitgenommen.
Wir sollten nun prüfen, was wir als zuständiger Staatsanwalt, der für das Verfahren zuständig sei, machen würden.
Hierzu legten wir dar, dass es zur Ergreifung strafprozessualer Maßnahmen der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bedürfte, was einen Anfangsverdacht hinsichtlich der Begehung einer Straftat voraussetzen würde. Wie auch in den vorangegangen Prüfungsprotokollen geschildert, sollte nun jeder der Kandidaten einen Straftatbestand nennen. Wir nannten §§ 249; 250 Abs. 2 Nr.1; 211,22,23; 223, 224 Abs.1 Nr.2,5 StGB.
Jeder Kandidat durfte nun den durch ihn genannten Straftatbestand prüfen. Wir legten zunächst dar, dass wir von einem zweiteiligen Geschehen (sprich: 2 Tatkomplexe) ausgehen würden, weil in dem Verlassen des Raums unserer Ansicht nach eine Zäsur zu erkennen sein dürfte. Der Prüfer war hiermit einverstanden, gab aber auch zu erkennen, dass eine andere Ansicht ebenso richtig gewesen wäre. Im ersten Tatkomplex wurde nun dargelegt, dass ein Raub am Handy vorliegen dürfte (§ 249 Abs.1 StGB), wobei sich (wie im gesamten strafrechtlichen Prüfungsabschnitt auch) eine präzise Definition und Subsumtion notenmäßig auszahlte. Ein besonders schwerer Raub (§250 Abs.2 Nr.1 StGB) durch das Verwenden des Kissens wurde demgegenüber zurecht abgelehnt. Dann wurde dargelegt, dass in Anbetracht der Ohrfeige eine Körperverletzung begangen war, die zu § 249 Abs.1 StGB in Tateinheit (§ 52 StGB) stehen dürfte. Dann folgte wegen des Zudrückens mit dem Kissen die Prüfung eines versuchten Mordes, wobei insbesondere das Mordmerkmal der Verdeckungsabsicht (hinsichtlich der Tat im ersten Tatkomplex) erörtert wurde. Sodann folgte eine Prüfung, ob der Beschuldigte vom Versuch zurückgetreten war, wobei Der Prüfer entgegen der durch den Kandidaten vertretenen Ansicht von einem beendeten Versuch ausging, sodass ein Rücktritt gem. § 24 StGB nicht vorgelegen hätte. Schließlich wurden §§ 223, 224 Abs.1 Nr.2, 5 StGB erörtert und mit Blick auf das Kissen § 224 Abs.1 Nr.2 StGB bejaht, Nr.5 mangels abstrakter Lebensgefahr jedoch verneint.
Als zu ergreifende Ermittlungsmaßnahmen wurden v.a. eine Wohnungsdurchsuchung bei dem Beschuldigten vorgeschlagen. Der Prüfer schilderte nun eine Sachverhaltsfortsetzung, in der der zuständige Staatsanwalt um 16.15 Uhr bei dem Ermittlungsrichter beantragt, der jedoch eine Entscheidung nicht vor 19.30 Uhr treffen will, weil er bis dahin anderweitig beschäftigt sei. Hieraufhin werde durch den Staatsanwalt die Durchsuchung selbst wegen Gefahr im Verzug angeordnet. Dabei wurde wesentlich das Problem erörtert, ob eine solche Anordnung überhaupt noch möglich ist und welche Konsequenzen für die Verwertbarkeit von sichergestellten Gegenständen in der Hauptverhandlung drohen (Stichwort: Abwägungslehre, absolutes und relatives Beweisverwertungsverbot).