Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Dezember 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 |
Vorpunkte | 6,2 | 8,7 | 7,8 | 4,9 |
Prüfungsgespräch | 9 | 10,8 | 11 | 10,8 |
Endnote | 6,88 | 9,24 | 8,57 | 6,41 |
Endnote (1. Examen) | 5,95 |
Prüfungsgespräch:
Begonnen wurde mit der Schilderung einer Situation, in der wir als Staatsanwalt im Jour dienst am Telefon seien und uns ein Polizist von einer momentan laufenden Demonstration gegen die Corona Regelungen anruft. Vor ihm stehe ein Demonstrant, der keine Maske trage. Er habe ein Attest vorgelegt, nach dem er keine Maske tragen müsse. Dieses komme dem Polizeibeamten jedoch komisch vor. Er fragt uns nun, was er tun soll.
Zunächst konnte jeder reihum seine Ideen äußern. Dabei war, dass man aus Vorsichtsgründen den Demonstranten anweisen solle, die Maske dennoch zunächst aufzusetzen. Zu Beweissicherungszwecken solle ein Bild vom Demonstranten ohne Maske gemacht werden. Der Prüfer wollte jedoch darauf hinaus, dass man zunächst fragen sollte, warum das Attest dem Polizisten komisch vorkäme. Diese genaueren Anhaltspunkte braucht man, um gegebenenfalls zum Anfangsverdacht zu kommen. Außerdem könnten die Personalien festgestellt werden bzw. ein Abgleich erfolgen, ob der Name, mit dem im Attest genannten übereinstimmt. Außerdem kommt eine Sicherstellung des Attests bzw. bei Verweigerung die Beschlagnahme in Betracht.
Um in die materielle Prüfung einzusteigen, wurde auf unsere fiktive Nachfrage an den Polizisten von diesem nun genauer erläutert, dass in dem Attest lediglich ein Name eingetragen sei und danach formelhaft bestätigt wurde, dass für die betreffende Person empfohlen werde, keine Maske zu tragen.
In materieller Hinsicht ist der Verstoß gegen die Maskenpflicht selbst ist nur eine Ordnungswidrigkeit.
Sollte das Attest jedoch gefälscht sein, käme eine Urkundenfälschung gem. § 267 StGB in Betracht.
Hiervon ausgehend, sollten wir im Gesetz kurz hinter der Vorschrift die §§ 277-279 StGB entdecken. Sofern das Attest tatsächlich von einem Arzt ausgestellt und nicht gefälscht wurde, sollte nun subsumiert werden, ob es sich um ein „Gesundheitszeugnis“ im Sinne der Vorschriften handelt. Im Rahmen dieser Subsumtion wurde dann geschlussfolgert, dass das vorliegende Attest ohne Angabe von konkreten Gründen, warum die Maske von der genannten Person nicht getragen werden müsse, nicht konkret genug sei.
Nun folgte die Schilderung eines neuen Falls: Geschildert wurde die erste Vernehmung wegen des Vorwurfs des Mordes gem. § 211 StGB. Dabei wurde der Tatvorwurf eröffnet und die §§ genannt. Dass es dem Beschuldigten freistehe, sich zu äußern. Und dass er einen Rechtsanwalt konsultieren könne.
Gefragt war nun nach der Verwertbarkeit der darauffolgenden Aussage. Zu untersuchen war die Belehrung anhand von § 136 StPO. Gefehlt hatte das Angebot der Kontaktaufnahme mit einem Rechtsanwalt, der Hinweis auf die Möglichkeit von Beweisanträgen sowie die Pflichtverteidigung gem. § 140 StPO.
Da es sich um ein ungeschriebenes unselbständiges Beweisverwertungsverbot handelt, war im Rahmen der Abwägungslehre darzulegen, ob der Fehler nun durschlägt oder nicht. Dabei wurden die §§ 140, 141 StPO gelesen und wegen § 136 I 5 StPO i.V.m. §§ 140 I Nr. 1 u. 2, 141 I 1 StPO argumentiert.
Schließlich fragte der Prüfer noch kurz, inwiefern sich hier aktuell etwas getan hätte. Wir wussten nicht, dass § 140 I Nr. 5 StPO nicht mit Art. 1 der PKH-RL vereinbar war und es daher zu Änderungen gekommen war. Dies schien aber nicht schlimm. Es kam mir so vor, als sollte dies nur eine kleine „Fleißaufgabe“ sein, mit der man sich Zusatzpunkte hätte holen können.
Dann kam ein dritter Fall ins Spiel. Vor dem LG Chemnitz wird wegen Totschlags verhandelt. Die Verteidigung beantragt, dass die Berufsrichter und Schöffen einen Fragenkatalog beantworten sollten. Dies wurde damit begründet, dass man herausfinden wolle, ob die Besetzung ordnungsgemäß sei und alle unvoreingenommen am Verfahren teilnähmen. Dabei wurden auch Dinge wie beispielsweise die Zugehörigkeit oder die persönliche Einstellung zu bestimmten Parteien abgefragt.
Bevor es in die tatsächliche Prüfung ging, sollte kurz dargelegt werden, in welcher Besetzung das Gericht entscheidet (Kammer, §§ 74, 76 II Nr. 1). Außerdem, woher der Name „Schwurgericht“ käme. Ausreichende Antwort war hier „schwören“ bzw. „Geschworene“.
Schließlich sollten alle überlegen, auf welcher Grundlage eventuell ein Anspruch auf die Beantwortung de Fragenkatalogs bestehe. Wir begannen mit der Ablehnung wegen Befangenheit. In Betracht kommen §§ 24 III 2, 26 III StPO. Allerdings muss ein Ablehnungsgrund für diese bereits vorliegen. Dies war vorliegend ja gerade nicht der Fall bzw. nicht bekannt.
Auch mit Art. 6 EMRK und dem Recht auf ein faires Verfahren kamen wir nicht weiter. Ebenso nicht mit § 222a III StPO. Hören wollte der Prüfer als Idee auch noch § 338 Nr. 1 StPO und die ordnungsgemäße Besetzung. Dieser ist jedoch nicht einschlägig, wenn es um in der Person selbst liegende Gründe geht.
Dieser letzte Teil kam mir eher konfus vor, weil wir versuchten, zu erraten, wie man noch weiterkommen könnte. Es war aber auch der absolute Schluss der gesamten Prüfung und schon relativ spät.