Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern vom Juni 2023

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

13

Gesamtnote 1. Examen

11

Gesamtnote 2. Examen

10

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Baurecht

Paragraphen: §35 BauGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Diesmal griff der Prüfer zu Beginn nicht – so wie er es manchmal macht – ein Prüfungsthema aus einer anderen Prüfung auf, sondern diktierte sofort einen Fall. Dabei konnte man Nachfragen stellen. Unsere Prüfung war an sich rein baurechtlich, auf das Prozessuale wollte er nur kurz eingehen – er meinte er will zu den richtigen Problemen des Falls kommen. Der Fall, den er geschildert hatte, kam mir aus den bisherigen Protokollen nicht bekannt vor (wobei: ich habe gerade nachgesehen – am 07.12.2017 hatte er diesen Fall schon mal geprüft und es ist die Klausur 2017 II 8). Ich hatte darauf gehofft, dass er vielleicht etwas aus den Terminen davor prüft, da im selben Durchgang doch häufiger mal ähnliche Themen drankamen. Bei uns gab es auch keinen aktuellen Aufhänger. Es war aber auch ohne Kenntnisse des speziellen Falls alles sehr gut machbar. Er schilderte, dass er der Mandant sei und, dass wir ihn beraten sollen. Er sei ein älterer Herr und habe im Jahr 2007 ein Grundstück erworben. Es gibt keinen Bebauungsplan, nur einen FNP. 1967 habe der damalige Eigentümer ein Betriebsleiterwohnhaus darauf errichtet, dass im Zusammenhang mit einem gärtnerischen Betrieb stand. Sowohl der gärtnerische Betrieb als auch das Betriebsleiterwohnhaus wurden genehmigt. Der Betrieb wurde im Anschluss durchgeführt und betrieben. Im Jahr 1993 kam es jedoch zu einer Gewerbeabmeldung, zudem wurden die Gewächshäuser abgerissen. Im Anschluss stand das Haus eine bis 2007 leer. 2007 hat unser Mandant das Grundstück erworben und auch bewohnt. Er hat die Gärtnerei ebenfalls betrieben, allerdings ohne die Gewächshäuser, die ja abgerissen wurden. Den Betrieb der Gärtnerei hat unser Mandant dem Landratsamt und der Gemeinde auch angezeigt. Das Landratsamt hat auf diese Anzeige nicht reagiert. Ende 2021 gab es eine erneute Stilllegung des Betriebs, der Mandant als Eigentümer blieb aber darin wohnen. November 2022 hat er einen Antrag auf Genehmigung für eine allgemeine Wohnnutzung für seine zwei Kinder beantragt. Die Gemeinde verweigert das Einvernehmen und das Landratsamt lehnt die allgemeine Wohnnutzung ab. Die erste Frage zu dem ersten Prüfling war einfach: „Was tun Sie jetzt?“ Der Prüfling fing an die Zulässigkeit einer Versagungsgegenklage zu prüfen, das war wohl in Ordnung, aber darauf wollte er jedoch gar nicht allzu lange eingehen (das hat er dann gesagt). Wenn ein Prüfling etwas geantwortet hat, hat er darauf bezogen weitere Nachfragen gestellt. Zum Beispiel: der Prüfling nannte den Obersatz der Begründetheit und erwähnte dann, dass Art. 68 BayBO ein gebundener Anspruch ist. Darauf die Frage: „Gibt es bei solchen Sachen immer nur einen gebundenen Anspruch?“ Nein, wenn z.B. Ausnahmen genehmigt werden oder bei bauaufsichtlichem Einschreiten. Daraufhin sollte die Genehmigungsbedürftigkeit und Genehmigungsfähigkeit geprüft werden. Dabei wurde insbesondere kurz auf Art. 57 IV BayBO eingegangen. Und dann wurde vor allem § 35 BauGB genau geprüft. Die Definition für I Nr. 1 „Landwirtschaft“ steht in § 201 BauGB. § 35 I BauGB liegt nicht vor: Das Vorhaben in Form der Nutzungsänderung ist nicht privilegiert, da der Kläger eine vom vorherigen Gartenbaubetrieb unabhängige Nutzung beabsichtigt, die geplante Wohnnutzung dient daher gerade nicht der gartenbaulichen Erzeugung. Danach wurde § 35 III BauGB durchgeprüft und dann auf das Hauptproblem in IV Nr. 1 eingegangen. Dabei waren vor allem zwei Punkte zu beachten: 1) Die Frist in § 35 IV Nr. 1 c) BauGB gilt wegen § 245b II BauGB, Art. 82 VI BayBO (Vorsicht, Absatz hat sich vor kurzem geändert) nicht. 2) § 35 IV Nr. 1 BauGB verweist nur auf § 35 I Nr. 1 BauGB, aber nicht auf § 35 I Nr. 2 BauGB. Hier wollte der Prüfer – wie wohl immer gegen Ende der Prüfung – von uns eine gute juristische Argumentation hören. Ist vielleicht eine Analogie möglich? Oder auch nicht? Hier konnte man alles sagen. Einfach irgendetwas aus den Fingern saugen und mit juristischen Begriffen unterfüttern (also planwidrige Regelungslücke etc.). Zwischendurch – ich weiß nicht mehr genau an welcher Stelle – ist auch kurz auf die verschiedenen Arten des Bestandsschutzes eingegangen: aktiv & passiv. Die Prüfung verging schnell – insgesamt anspruchsvoll und fordernd, aber auch angenehm und machbar. Der Prüfer ist wohl teilweise als AG Leiter tätig und korrigiert auch Klausuren, so dass diese – nach Auswertung alter Protokolle – häufiger auch Grundlage des Prüfungsgesprächs sind.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern im Juni 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.