Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Bayern vom Juni 2024

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Endpunkte

9,07

Endnote

9,76

Endnote 1. Examen

7,15

Zur Sache:

Prüfungsstoff: aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Als erstes der aktuellen Fall, dass eine Erbin eine Kopie von der Patientenakte ihres verstorbenen Bruders von einem Arzt fordert. Als zweites die Entscheidung des BAG, Urteil vom 29.2.2024 – 8 AZR 187/23.

Paragraphen: §33 GG, §14 TzBfG, §164 SGB IX, §154 SGB IX, §630g BGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, verfolgt Zwischenthemen, lässt sich ablenken, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Der Prüfer teile uns zunächst ein Blatt aus, auf dem zwei Fälle abgedruckt waren. Das Blatt sammelte nach der Prüfung wieder ein. Wir sollten uns nur den ersten anschauen. Dabei handelte es sich um den Fall der vorherigen Prüfung, dass eine Erbin eine unentgeltliche Kopie der Patientenakte ihres verstorbenen Bruders haben möchte. Der Arzt will zudem, dass die Erbin ihr Verlangen begründet. Der Prüfer stellte dann die Frage, was wir als Anwälte der Erbin nun machen würden. Dann ging die eigentliche Prüfung los: – Was will die Erbin (Kopie der Akte) und an wen muss sie sich dafür wenden (Krankenhausträger) – Findung der Anspruchsgrundlage: Aus § 630g BGB ergibt sich nur ein Einsichtsrecht, ein Anspruch folge aber aus der DSGVO – Benennung der konkreten Rechtsgrundlage (Art. 15 III 1 DSGVO) – Woraus ergibt sich, dass die erste Kopie kostenlos ist und keiner Begründung bedarf (ganz normale Gesetzesauslegung) – Feststellung, dass hinsichtlich der Kosten ein Widerspruch zu § 630g II 2 BGB besteht, der die Erhebung von Kosten vorsieht – Konsequenz daraus: Vorrang des Europarechts, Gesetzgeber müsse § 630g BGB dementsprechend anpassen – Kurz ging es dann noch um die Vererbbarkeit des Anspruchs (strittig) Dann war der erste Fall auch schon vorbei. Der zweite abgedruckten Fall wurde nicht zum Gegenstand der Prüfung gemacht. Vielmehr skizzierte der Prüfer dann einen weiteren Fall, zu dem wir uns Notizen machen sollten. Dem Fall lag die schon angesprochene Entscheidung des BAG (BAG, Urteil vom 29.2.2024 – 8 AZR 187/23) zugrunde: Der schwerbehinderte K arbeitet seit dem 01.04.2009 als MTA im Rahmen von 15-mal auf 1 Jahr befristete Verträge im Uniklinikum W. Der letzte befristete Vertrag ist zum 31.03.2024 ausgelaufen. W schreibt nun eine weitere Stelle für einen MTA aus, die wiederum auf 2 Jahre befristet ist. Der K bewirbt sich, wird aber mit der Begründung abgelehnt, im Hinblick auf die vielen vergangenen Befristungen sei es zu risikoreich, ihn einzustellen. Wir sind nun wieder die Anwälte des K und müssen ihn beraten. Die Prüfung verlief dann zäh, weil wir leider nicht darauf kamen, dass Art. 33 Abs. 2 GG hier einschlägig ist. Im Einzelnen ungefähr: – Begehren des K: Er möchte eingestellt werden – Möglicherweise Verletzung von § 165 S. 2 SGB IX – W als öffentlicher Arbeitgeber nach § 154 II Nr. 4 SGB IX – Folge: Ansprüche nach AGG, passt also nicht zum Ziel des K – Möglicherweise Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes – Möglicherweise Angriff auf die Befristung des letzten Arbeitsvertrages, aber die Frist des § 17 S. 1 TzBfG ist schon abgelaufen – Wäre sie nicht abgelaufen, was würde dann prozessual passieren, wenn sowohl gegen die alte Befristung als auch gegen die Nichteinstellung hinsichtlich der neuen Stelle gerichtlich vorgegangen worden wäre? Das Verfahren würde ausgesetzt – Wäre die Frist des § 17 S. 1 TzBfG nicht abgelaufen, könnte man vorbringen die Befristung sei wegen den vorherigen Befristungen rechtsmissbräuchlich (Rechtsprechung BAG) Nach explizitem nachfragen, löste der Prüfer dann auf, dass sich ein Anspruch hinsichtlich der Neueinstellung aus Art. 33 Abs. 2 GG ergeben könnte. Der Prüfer fragte dann, ob der hier gegeben sei. Ein Prüfling meinte, dass sie die Rechtsprechung überflogen habe und meinte sich erinnern zu können, dass das BAG den Anspruch ablehnt. Dann erarbeiteten wir uns die Begründung, nämlich, dass die Neueinstellung wegen der vorherigen Befristungen auf jeden Fall unwirksam wäre und der K die Befristung somit erfolgreich angreifen könnte, mit der Folge, dass dann ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht (§ 16 S. 1 TzBfG). Dem wäre die W bei Bestehen eines Anspruchs aus Art. 33 Abs. 2 GG schutzlos ausgeliefert. Dann war die Prüfung auch schon vorbei. Viel Erfolg! 🙂

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Bayern vom Juni 2024. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.

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