Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin vom August 2022

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,88

Gesamtnote 1. Examen

11,51

Gesamtnote 2. Examen

9,88

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest

Prüfungsthemen: ZPO, BGB

Paragraphen: §280 BGB, §833 BGB, §17a GVG, §281 ZPO

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, hart am Fall, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Los ging es mit seinem Klassiker-Fall: Richter am LG Berlin erhält Klageschrift, die an das LG Potsdam adressiert ist. Wie gehen Sie damit um? Formlose Angabe ist möglich. Worin besteht der Unterschied zu einer Verweisung nach § 281 ZPO? Hier schon gar kein Zustellungswille des Klägers an das LG Berlin. § 281 ZPO setzt insbesondere Rechtshängigkeit voraus, an der es hier fehlt. Unterschied zwischen Anhängigkeit und Rechtshängigkeit? Anhängigkeit tritt ein mit Eingang beim Gericht, Rechtshängigkeit erst mit der Zustellung an den Beklagten. Dann der nächste Klassiker: Anwalt schafft es am 31.12. nicht mehr bis zum Landgericht, wo er Klage einreichen will, um Verjährung zu hemmen. Er kommt am VG vorbei – welche Möglichkeit besteht? Klage umadressieren ans VG und dort in den Briefkasten werfen. Die Klage wird am VG nach § 90 VwGO bereits mit Eingang rechtshängig. Dann wird Verweisungsbeschluss nach § 17a II GVG ergehen, der aber an erwirkter Rechtshängigkeit nach § 17b I 2 GVG nichts mehr ändert. Wenn man die Klage nicht umadressiert, kommt es wiederum zur formlosen Abgabe und man hat keine Rechtshängigkeit erwirken können. Schließlich schilderte der Prüfer einen Fall, den er auch in seiner letzten Prüfung zuvor gestellt hatte: Die Eigentümerin E eines Bauernhofs vermietet eine Wohnung auf dem Anwesen an M. Es gibt ein Carport auf dem Hof, dort stellt die E regelmäßig ihr Kfz ab. Auf dem Bauernhof gibt es viele Mäuse. E und M einigen sich darauf, dass M sich eine Katze anschafft, die sich um das Probleme mit den Mäusen kümmern soll. Die Katze läuft in der Folge auch gerne auf dem Dach des Kfz der E herum, was diese auch einmal sieht. Etwas später bemerkt E dann Kratzspuren von der Katze auf dem Dach, deren Beseitigung sie 1.500 € ohne Umsatzsteuer kostet (1.750 € mit Umsatzsteuer). Dafür verlangt sie nun Ersatz von M. Mögliche Anspruchsgrundlage? Zunächst vertraglicher Schadensersatzanspruch aus §§ 280 I, 241 II BGB. Mietvertragliche SE-Ansprüche scheiden aus, da nicht Mieter gegen Vermieter, sondern andersherum. Maßgeblich: fällt das Kfz im Carport noch zum Gegenstand des Mietvertrages bzw. den daraus erwachsenden Rücksichtnahmepflichten? Wir argumentierten dagegen, da räumlich nicht Gegenstand des Mietvertrages. Weiter ging es mit § 833 S. 1 BGB. Zunächst Frage zur Differenzierung von Haustieren in S. 1 und Nutztieren in S. 2. M als Tierhalter unproblematisch (+), kommt wirtschaftlich für Katze auf, muss nicht Eigentümer sein. Dann Prüfung der spezifischen Tiergefahr, die wohl zu bejahen ist, weil mit Mäusejagen verbundenen Kratzspuren gerade Ausdruck unberechenbaren tierischen Verhaltens. Der Prüfer fragte noch zum historischen Hintergrund des § 833 S. 2 BGB. Warum wurde sie wohl eingeführt? Antwort: Anfang 1900 zum Schutz der Landwirte, die nicht verschuldensunabhängig für Nutztiere haften sollten. Schließlich abschließend noch die Frage, ob ein Mitverschulden der E in Betracht kommt. Hier wohl ja, da sie zuvor gesehen hatte, dass die Katze auf dem Auto turnt, hätte Gespräch mit M suchen oder ihr Kfz anderweitig abstellen bzw. mit Plane abdecken können.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im August 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.