Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin vom Mai 2023

Prüfungsthemen: Zivilrecht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

6,0

Gesamtnote 1. Examen

7,8

Gesamtnote 2. Examen

7,86

Zur Sache:

Prüfungsthemen: Zwangsvollstreckungsrecht, Vier-Augen-Gespräch, Herausgabeanspruch und hilfsweise SE-Anspruch

Paragraphen: §255 ZPO, §448 ZPO, §141 ZPO

Prüfungsgespräch: hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner

Prüfungsgespräch:

Die Prüferin schilderte uns zu Beginn einen Fall mit folgendem Sachverhalt: Die Eheleute A und B sind getrennt. B ist aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. B hatte ursprünglich ein Klavier für 15.000 Euro gekauft. Dieses steht noch in der ehemals gemeinsam genutzten Wohnung, in welcher nun nur noch A wohnt. B behauptet, das Klavier an A für einen Preis von 9.000 Euro verkauft zu haben. B möchte nun, von A den Kaufpreis erhalten. Es ging nun um die Frage, welche Beweismittel der B hat die Prüferin hatte uns zuvor nichts über potentielle Beweismittel gesagt. Daher gingen wir die von der ZPO vorgesehenen Beweismittel durch und sprachen zunächst den Urkundsbeweis an, worauf die Prüferin sagte, dass es in diesem Fall keine Urkunden geben würde. Dann sprachen wir eine Parteivernehmung an. Wir sollten dann den § 448 ZPO prüfen. Hier wollte die Prüferin unbedingt (!) den Begriff des „An Beweises“ hören (danach fragte sie jeden der einzelnen Prüflinge, wobei alle bereits den Begriff umschrieben hatten, bis er letztendlich noch genannt wurde). Ein Mitprüfling sprach dann das Vier-Augen-Gespräch an. Daraufhin fragte die Prüferin, ob dazu noch mehr Abstraktes ausgeführt werden könne. Sie wollte hier hören, wo die Problematik des Vier-Augen-Gespräches im Wortlaut des § 448 ZPO zu finden ist. Dabei wollte sie (meine ich) darauf hinaus, dass aufgrund der Waffengleichheit im Vier-Augen-Gespräch das Ermessen des Gerichts zu einer Anhörung auf null reduziert sei und daher in § 448 ZPO an den Wortlaut „kann das Gericht“ anzuknüpfen sei. Der weitere Ablauf des Prüfungsgespräches war sehr verwirrend. Die Prüferin fragte unter anderem noch, was man denn mache, wenn man dieses Gespräch (also das Gespräch zwischen A und B) nicht beweisen könne. Wir kamen dann darauf, dass man einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB geltend machen könne. Sie fragte dann, wie denn dieser Anspruch vollstreckt werde. Sie wollte dabei auf das Vollstreckungsrecht hinaus und insbesondere etwas zum genauen Handeln des Gerichtsvollziehers hören. Ich meine, sie wollte auf § 883 ZPO hinaus. Dann wollte sie wissen, ob der Gerichtvollzieher die Wohnung betreten darf, um nach der Sache zu suchen. Keiner von uns wusste, wo das geregelt ist, woraufhin ein Prüfling frei argumentierte, dass dies wegen Art. 13 GG nicht möglich sei. Letztlich wollte sie aber auf § 758a I ZPO hinaus. Die Normen, die sie hören wollte, waren so speziell, dass sie keiner von uns kannte. Lasst euch nicht unterkriegen! Wenn ihr die Normen nicht kennt, probiert dennoch zu argumentieren. Sie wollte dann noch wissen, was man denn nun macht, wenn die Herausgabe bzw. die Vollstreckung der Herausgabe nicht gelingt. Auf meinen Vorschlag, man müsse dann wohl auf Schadensersatz umstellen, reagierte sie genervt und meinte, dass es ja schon das Urteil gibt (also das Urteil auf Herausgabe). Lasst euch von so einer Aussage nicht unterkriegen. Ich habe dann gesagt, dass man schon in der Klage einen Antrag nach §§ 255, 257 ZPO hätte stellen können. Darauf wollte sie wohl auch hinaus, obwohl sie davor meinte, dass wir schon in der Vollstreckung seien. Dann sollte erklärt werden, wie § 255 ZPO und § 257 ZPO (hier insb. Erklärung, warum SE Anspruch wegen § 281 IV BGB gesondert beantragt werden sollte; siehe Chorarchiv-Fall vom BGH) funktioniert und es sollte erklärt werden, wie dieser Anspruch dann vollstreckt wird. Sie wollte auf das Erfordernis einer qualifizierten Klausel nach § 726 ZPO hinaus sowie auf die Voraussetzungen der Erteilung einer solchen Klausel in diesem konkreten Fall. Es ging wohl darum, dass man in der öffentlich beglaubigten Urkunde nach § 726 ZPO den Schadensersatz nach § 281 IV BGB geltend machen sollte. Dann begann noch eine materiell-rechtliche Prüfung des Herausgabeanspruches nach § 985 BGB. Wir sollten die Voraussetzungen nennen und sagen, wer die Darlegungs- und Beweislast für die einzelnen Voraussetzungen trägt. Dabei fragte sie uns, in welcher Norm geregelt ist, wer wann die Beweislast trägt. Diese Frage war mehr als verwirrend, da eine solche Normierung der allgemeinen Regel der Beweislastverteilung (Günstigkeitsprinzip) meines Erachtens nicht existiert. Dies ist erneut ein schönes Beispiel dafür, dass ihre Fragen zu großer Verwirrung führen, denn letztlich wollte sie wohl wissen, wo Regelungen zur Beweis- und Darlegungslast im Rahmen des Rechts zum Besitz nach § 986 BGB stehen. Sie meinte, das wäre § 1006 BGB, ohne es selbst näher zu erläutern… Dann war die Prüfung vorbei. Ich muss sagen, dass ich die Prüferin als nicht sehr angenehme Prüferin empfunden habe. Letztlich solltet ihr euch aber nicht unterkriegen lassen und darauf achten, ob ihre Fragen und Fälle vielleicht Zusammenhänge zu konkreten und bekannten ZPO Problemen aufweisen (wie hier Vier-Augen-Gespräche), wobei diese Zusammenhänge vielleicht auch nur am fernen Horizont erkennbar sind.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im Mai 2023. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.