Protokoll der mündlichen Prüfung zum 2. Staatsexamen – Berlin vom November 2022

Prüfungsthemen: Öffentliches Recht

Vorpunkte der Kandidaten

Kandidat

1

Note staatl. Teil 1. Examen

10,55

Gesamtnote 1. Examen

12,28

Gesamtnote 2. Examen

12,84

Zur Sache:

Prüfungsstoff: protokollfest, aktuelle Fälle

Prüfungsthemen: Baurecht – Nachbarstreit – vorläufiger Rechtsschutz

Paragraphen: §80a VwGO, §30 BauGB, §3 BauNVO, §15 BauNVO, §212a BauGB

Prüfungsgespräch: Frage-Antwort, hält Reihenfolge ein, Intensivbefragung Einzelner, verfolgt Zwischenthemen, Fragestellung klar

Prüfungsgespräch:

Nach dem Aktenvortrag, in dem es um eine Anfechtungsklage gegen eine ordnungsbehördliche Verfügung im Straßenrecht ging (Anordnung der Entfernung eines Holzverbaus aus dem Straßenland unterhalb eines Gehwegs – richtiger Berliner Fall; man musste wirklich mal intensiv mit dem echten BerlStrG aus der Kirchner-Textsammlung arbeiten), prüfte Herr Pöhler im Vertiefungsgespräch folgende Fragen ab: – Ergänzend zum Aktenvortrag stellte er eine Frage, wo im VwVfG etwas zur Verjährung zu finden sei. Hier wollte er i.W. nur die Norm hören. – Da es im Aktenvortrag auch um das Thema formelle/materielle Illegalität (im Straßenrecht) ging, wollte er hören, wie sich das im Bauordnungsrecht zum Beispiel bei einer Nutzungsuntersagung verhalte. – Er fragte, ob ein Grillwalker, wie man sie aus dem Berliner Straßenbild kennt, eine Sondernutzung brauche oder nicht.
Hier wollte er eine kurze und bündige Antwort, keine große Argumentation – Er fragte zum Ladenschlussrecht explizit nach einer/“der“ Entscheidung des BVerwG von Anfang des Jahres (2022). Ich hatte die Entscheidung vor der Prüfung überflogen, da aus früheren Protokollen zu ersehen war, dass das Ladenschlussrecht für Herrn Pöhler relevant ist. Wir sprachen über die Kerngehalte der Entscheidung (s. dazu BVerwG, Urteil vom 16. März 2022 – 8 C 6/21). Im Prüfungsgespräch begann Herr Pöhler mit der Frage nach den verschiedenen Antragsarten im vorläufigen Rechtsschutz im öffentlichen Recht. – Kandidat 1 begann mit § 123 I 1 und 2 VwGO – hier fragte er weiter nach zu den Bezeichnungen (Sicherungs-/Regelungsanordnung), zum Aufbau der Begründetheitsprüfung und zu den Fallgruppen, in denen das grundsätzliche Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache überwindbar ist. – Kandidat 2 fuhr fort mit § 80 V 1 Var. 1 und Var. 2 VwGO und stellte die Statthaftigkeit dar. Kandidat 3 nannte noch § 80 V 1 analog, § 80 V 3, §§ 80a III, 80 V 1, 3 VwGO und machte (knappe) Ausführungen zur Statthaftigkeit dieser Anträge. – Dann wurden auch noch § 47 VI VwGO und § 32 BVerfGG genannt, ohne dass dazu Näheres besprochen wurde. Dann las Herr Pöhler in angemessen ruhiger Weise einen Sachverhalt vor (wohl unveröffentlichte Berliner Entscheidung). In einem mit Bebauungsplan festgesetzten reinen Wohngebiet befand sich neben fast ausschließlicher Wohnbebauung auch ein eher kleineres, aber auch nicht ganz kleines Hotel – und zwar schon seit Jahrzehnten und genehmigt, aber zunächst eher noch überschaubar (nach Art eines „Hotel Garni“).
Dann kommt es zu verschiedentlicher Modernisierungs-, aber auch Erweiterungsbautätigkeit des Hotels in mehreren Schritten (u.a. Außengastro vergrößert etc.). Irgendwann möchte das Hotel, dann auch noch einen Pool im Keller errichten und bekommt dafür eine Genehmigung. Diese wird nur dem Bauherrn bekanntgegeben, nicht einem bestimmten Nachbar. Der Nachbar fragt dann einige Monate später nach beim Hotel, was im Gange sei und erfährt erst dann vom konkreten neusten Erweiterungsvorhaben. In der rechtlichen Würdigung setzten wir die Schwerpunkte auf – die Statthaftigkeit des Rechtsbehelfs im vorläufigen Rechtsschutz (§§ 80a III 2, 80 V 1 Var. 1 VwGO wegen § 80 II 1 Nr. 3 VwGo i.V.m. § 212a BauGB), – auf die Antragsbefugnis (Möglichkeit, dass der Gebietserhaltungsanspruch oder das Rücksichtnahmegebot verletzt sein könnten; hier folgte ein Exkurs zum Drittschutz im Baurecht im Übrigen) sowie – auf das Rechtsschutzbedürfnis und dort insbesondere auf die Frage, ob der schon eingelegte Widerspruch offensichtlich unzulässig sein könnte und daher das Rechtsschutzbedürfnis im vorläufigen Rechtsschutz zu verneinen sein könnte. Es könnte nämlich Verfristung der Widerspruchsfrist eingetreten sein. Es ging um den Begriff der Bekanntgabe und um Fragen der Verwirkung sowie dort um Besonderheiten im Baurecht in Betreff auf Verwirkung (strengere Anforderungen an den Nachbar?). Materiell-rechtlich prüften wir insbesondere § 30 I BauGB i.V.m. § 3 BauNVO und kamen zum Ergebnis der bauplanungsrechtlichen Unzulässigkeit der Erweiterung der Hotels. Wir argumentierten mit dem Gebietscharakter des reinen Wohngebiets und legten die sachlich einschlägigen Regel- und Ausnahmetatbestände des § 3 II, III BauNVO systematisch aus. In diesem Zusammenhang kamen wir auch knapp und aus Zeitgründen nur als Schlagwort auf den „Gebietsprägungserhaltungsanspruch“ zu sprechen. Schließlich wurde aus Zeitgründen auch nur noch ganz knapp das Schlagwort „Bestandsschutz“ erwähnt.

Bei den obigen anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Berlin im November 2022. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.

Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.