Bei den nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Brandenburg im September 2020. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Zivilrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 6,85 |
Aktenvortrag | 9 |
Prüfungsgespräch | 9 |
Endnote | 8,11 |
Endnote (1. Examen) | 9,01 |
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer sagte, dass er einen Fall mit uns besprechen möchte, wobei wir zunächst materiell prüfen sollten und im Anschluss daran Prozessuales besprechen werden. Aufgrund der Corona bedingten Zweierprüfung kamen wir zu dem prozessrechtlichen Teil leider nicht mehr.
Er diktierte folgenden Fall: K ist ein 6 Jahre altes Kind, seine Eltern sind die E. Das Kind zerbricht bei dem Nachbarn N eine Vase. Das Kind solle dies nun in Ordnung bringen. Die Eltern haben bei dem Antiquariat X eine Vase für 50 Euro gesehen und sagen zu K: Hier hast Du einen 100 Euro schein, geht zu X und kaufe die Vase. K jedoch unterliegt einem Irrtum und geht stattdessen zu A, wo er eine Vase für 100 Euro kauft, die an N übergeben wird. Die Eltern finden das nicht in Ordnung. Was können sie machen?
Zunächst ist festzuhalten, dass der Prüfer die Prüfungsreihenfolge in beiden Gruppen änderte. Das war für alle überraschend, da die Prüfungsgespräche zuvor jeweils mit dem ersten Prüfling begonnen hatten.
Darüber hinaus war die offene Fragestellung äußerst verwirrend. Es war für mich nicht klar, wer hier was von wem woraus wollte bzw. was nun genau Begehr der Eltern ist. Ich vermute, dass der Prüfer das aber sehr bewusst gemacht hat, um zu sehen, wie man nun vorgeht. Mich hat das leider sehr verwirrt. Um etwas Struktur zu bekommen, wollte ich zunächst Ansprüche K gegen A prüfen. Der Prüfer hakte sofort ein und sagte, dass es ihm um Ansprüche der E gehe. Durch die Anspannung lehnte ich laut denkend vertragliche und quasivertragliche Ansprüche direkt ab, ging auf die gesetzlichen und blieb bei § 812ff BGB stehen. Das war ihm sichtlich viel zu schnell. Er wollte mehr hören. Der Mitprüfling sollte darlegen, warum kaufvertragliche Ansprüche ausschieden. Hier lag es so, dass die Eltern keine Mängelrechte geltend machen wollten. Ich erwähnte dann den § 108 BGB, der hier aber nicht einschlägig war, was der Prüfer aber nicht weiter übel nahm. Wir kamen dann dazu, dass die Willenserklärung des K nichtig (§ 105) war, da er geschäftsunfähig war (§ 104). Der Prüfer wollte dabei genau wissen, was es heißt, „wer nicht das siebente Lebensjahr vollendet hat“.
Wir lehnten dann die quasivertraglichen Ansprüche ab und gingen auf die gesetzlichen Ansprüche. Erneut stellte ich zu schnell auf § 812 auf. Der Prüfer führte nochmal zurück und fragte nach anderen gesetzlichen Ansprüchen. Ich erwähnte dann § 985 BGB. Er bat mich diesen zu prüfen mit dem Hinweis, dass wir annehmen sollten, dass K Eigentümer des 100 Euro Scheins war. Wir prüften den § 929 S. 1 BGB. Also ich die Einigung prüfte, fragte er mich, warum ich jetzt nochmal die Willenserklärung prüfte, obwohl wir doch die Nichtigkeit oben schon feststellt hatten. Ich stellte auf das Trennungs- und Abstraktionsprinzip ab. Das schien ihm zu gefallen. Er fragte dann nach dem Fachbegriff des 929 BGB. Ich wusste nicht, worauf er hinaus wollte, und versuchte es mit Eigentumsübergang. Er bohrte weiter. Als ich nichts anderes antworten konnte, beantwortete er seine Frage selbst: „Übereignung“. Als mein Mitprüfling und ich die Antwort hörten, verdeutlichte unser „Ach so, dass meinten Sie“ vermutlich, dass wir diesen Fachbegriff (natürlich) kennen, nur nicht wussten, dass er nun genau darauf hinaus wollte. Ich hatte den Eindruck, dass ihm das schon signalisierte, dass wir den Begriff natürlich kennen. Aber dafür hätte es sicherlich ein Pünktchen gegeben. Der Mitprüfling verfolgte noch die Idee, einen gutgläubigen Erwerb zu prüfen. Obwohl kein Anlass dafür bestand, ließ der Prüfer den Gedanken zu und ließ ihn prüfen. Schnell kam der Mitprüfling zur verneinenden Antwort. Der Prüfer nahm dies jedoch als Anlass, einen Abzweig einzubauen und fragte mich, wie die Sache läge, wenn das Geld zuvor gestohlen worden wäre. Er wollte sichtlich auf § 935 BGB hinaus. Hier konnte ich durch eine saubere Prüfung punkten. Grds.
Nach Absatz 1 kein gutgläubiger Erwerb an gestohlenen Sachen. Aber wiederum eine Rückausnahme nach Absatz 2 bei Geld. Er fragte mich, warum das so sei. Ich legte etwas umständlich den Bedarf an einer Umlauffähigkeit des Geldes und den Schutz des wirtschaftlichen Verkehrslebens dar. Das gefiel dem Prüfer sichtlich.
Er fragte dann (erneut) nach anderen gesetzlichen Erwerbstatbeständen. Hier wollte er auf die §§ 946 ff BGB hinaus. Tatsächlich will er das scheinbar auch genauso hören (946 ff) – das genügt ihm völlig und umreißt ihm den Standort im BGB. Hierbei sollten wir auf die Vermengung kommen, durch das Einlegen des Geldscheines in die Kasse.
Schließlich kamen wir auf § 812 I 1 Var. 1 BGB zu sprechen. Ich nannte die Voraussetzungen und er wollte den Fachbegriff „Leistungskondition“ hören. Ich stellte fest, dass der A hier Eigentum und Besitz am Geldschein erlangt hat. Der Mitprüfling definierte und subsumierte Leistung, wobei der Prüfer wissen wollte, wie es sich denn mit der fehlenden Geschäftsfähigkeit verhielt. Diese ist hier unschädlich, da die Leistung keine Geschäftsfähigkeit, sondern einen bloßen Handlungswillen voraussetze. Mangels Vertrags lag auch das Tatbestandsmerkmal ohne Rechtsgrund vor. Wir prüften nun den § 818 BGB, wobei hier nur Wertersatz nach Absatz 2 in Betracht kommt. Eine Entreicherung schied aus, auch bei der vom Prüfer formulierten Abwandlung, wenn A das Geld schon zur Bank gebracht hätte, da er dann ja aus dem Buchgeld einen Anspruch auf Auszahlung hat. Über den Begriff Buchgeld freute er sich sichtlich.
Wir kamen dann etwas wirr auf etwaige Gegenansprüche zu sprechen. Meines Erachtens ging es hier um den Anspruch A gegen E bezüglich der Vase. Diese war aber bereits weggegeben. Hier wollte der Prüfer auf das Schlagwort Saldotheorie hinaus, wobei ich noch punktebringend erwähnten konnte, dass die Saldotheorie nicht zulasten von Minderjährigen angewendet wird, das sonst die Heilige Kuh des Minderjährigen Schutzes geschlachtet würde. Ich hatte den Eindruck, dass sich der Prüfer über dieses selbst gebrachte Schlagwort freute.
Damit war die Zeit bereits um, so dass wir zum prozessualen Teil nicht kamen.