Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hamburg im Mai 2016. Das Protokoll stammt auf dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Öffentliches Recht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 |
Vorpunkte | 5 |
Aktenvortrag | 9 |
Prüfungsgespräch | 11 |
Endnote | 7 |
Endnote (1. Examen) | 8 |
Zur Sache:
Prüfungsthemen: Versamlungsrecht; Waffenrecht
Paragraphen: §15 VersG
Prüfungsgespräch: Diskussion
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer begann die Wahlfachprüfung mit einem etwas ungewohnten Einstieg, indem er in die Runde fragte, wer Johanna Wanka sei. Die Frage war von vornherein freigegeben. Bei der Antwort lag ihm viel an der genauen Amtsbezeichnung, nämlich der als Bundesministerin für Bildung und Forschung.
Sodann schilderte er den folgenden Fall: Die genannte Ministerin äußert sich auf der Website des Ministeriums negativ über Lutz Bachmann, Pegida und die AfD. (An dieser Stelle muss ich bereits sagen, dass er (glaube ich) von vornherein nur auf die AfD hinaus wollte. Das stellte sich erst im späteren Gespräch heraus und er nahm es als ungenaue Sachverhaltsdarstellung auf seine Kappe.) Die Angegriffenen planen kurz darauf eine Demonstration und wollen sich nun gegen die Äußerung wehren.
Prozessual war hier auf die allgemeine Leistungsklage einzugehen, im Rahmen derer dann der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch zu prüfen war (hoheitlicher Eingriff in ein subjektives Recht ohne Duldungspflicht). Auf dessen Herleitung (§ 1004 BGB analog, Rechtsstaatsprinzip, Wesen der Grundrechte, Gewohnheitsrecht) wurde kurz eingegangen. Danach ging der Prüfer die Kandidaten der Reihe nach ab und fragte sie nach subjektiven Rechten, die verletzt sein könnten. Mir sind momentan nur noch das Versammlungsrecht in Erinnerung und das Recht auf Chancengleichheit aus Art. 21 GG (weshalb die AfD in dem Fall so eine Rolle spielte). Zu beiden Rechten fragte er vertieft und exkursartig nach.
So wollte er zum Versammlungsrecht gern hören, dass es keiner Genehmigung bedarf, sondern nur einer Anmeldung und welches die Möglichkeiten eines Eingriffs in das Recht auf Versammlung unter freiem Himmel sind (§§ 15 Abs. 1, Abs. 3 VersG, Minusmaßnahmen).
Für Art. 21 GG war ihm die Rechtsprechung zur gleichmäßigen Aufteilung von Sendezeit in öffentlich-rechtlichen Rundfunksendern wichtig, mit der das Parteiengrundrecht genauer umrissen wurde.
Sodann war darauf einzugehen, ob eine reine Äußerung auf der Website ein Eingriff sein könne (Lüth, moderner Eingriffsbegriff).
In der Rechtfertigung war schließlich für die Zuständigkeit auf den Gesetzgebungskatalog einzugehen und schließlich als Eingriffsgrundlage die Ressortkompetenz aus Art. 65 GG zu nennen. Letztlich ließen wir jedoch mit der Feststellung, dass Frau Wanka als Amtsträgerin und nicht als Parteimitglied gehandelt habe, die Äußerung am Neutralitätsgebot scheitern. Der Prüfer war damit einverstanden.
Er nannte uns daraufhin einen weiteren Fall, in dem der N eine Waffenbesitzkarte innehat. Diese soll ihm jedoch entzogen werden, weil N sich regelmäßig auf Demonstrationen ausländerfeindlich und antisemitisch äußert und außerdem NPD-Mitglied ist. Eine der Tatsachen war bereits vor Erteilung der Waffenbesitzkarte bekannt, ein wurde erst später bekannt (leider weiß ich nicht mehr, in welcher Reihenfolge).
Die erste Kandidatin hatte die Zulässigkeit der Klage des N gegen die Aufhebung der Waffenbesitzkarte zu bearbeiten, wobei der Prüfer noch nachträglich ein Fristproblem einbaute und sich erfreut zeigte über das Wissen der Kandidatin darüber, dass zwar die Widerspruchbehörde auf die Einhaltung der Widerspruchsfrist verzichten kann, nicht jedoch das Gericht auf die Klagefrist.
Als nächstes ging es um die Begründetheit der Frage und darum, welche Ermächtigungsgrundlage zur Anwendung käme. Hier kam es auf eine zutreffende Einordnung des § 45 WaffG gegenüber den §§ 48, 49 VwVfG sowie eine Abgrenzung von Rücknahme und Widerruf an. Hierfür war wichtig, dass bei Erteilung noch nicht alle Tatsachen über den N bekannt waren.
Im Anschluss ließ der Prüfer uns den § 5 WaffG genau durchprüfen und legte dabei großen Wert auf die Kenntnis des allgemeinen Verwaltungsrechts. So fragte er, ob der Begriff der Zuverlässigkeit gerichtlich vollumfänglich überprüfbar sei (Antwort: ja, denn es handelt sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist, wenn nicht ausnahmsweise ein Beurteilungsspielraum der Behörde besteht, wie z.B. bei Prüfungsentscheidungen). Außerdem wollte er hören, dass es sich um eine Prognoseentscheidung auf Tatsachenbasis handelte.
In der eigentlichen Zuverlässigkeitsprüfung kam es nach meiner Ansicht weniger auf das Ergebnis an, sondern auf eine saubere Argumentation mit Hilfe der juristischen Auslegungsmethoden.
Zu guter Letzt wollte er auf Rechtsfolgenseite noch wissen, ob es einen atypischen Sonderfall darstelle, wenn N die ganze Zeit ordnungsgemäß mit seiner Waffe umgegangen und nie auffällig geworden sei (Antwort: nein, das sollte ja gerade der Normalfall sein).
Der Prüfer fragte stets der Reihe nach, fing jedoch nicht immer mit K1 an, sondern auch mal mitten in der Reihe. Er ließ den Prüflingen durchaus Zeit, eine Lösung zu entwickeln und fragte bei Ratlosigkeit gezielter nach. Das ein oder andere Mal gab er allerdings dennoch eine Frage frei und benotete vermutlich auch wohlwollender, wenn der Prüfling von sich aus umfangreich antwortete. Insgesamt ist der Prüfer ein angenehmer Prüfer, der solide Grundkenntnisse des Verwaltungs- und Verfassungsrechts erwartet und im Gegenzug bereit ist, auch die oberen Punkteränge auszuschöpfen.
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