Bei dem nachfolgenden anonymisierten Protokollen handelt es sich um eine Original-Mitschrift aus dem zweiten Staatsexamen der Mündlichen Prüfung in Hessen im Mai 2018. Das Protokoll stammt aus dem Fundus des Protokollverleihs Juridicus.de.
Weggelassen wurden die Angaben zum Prüferverhalten. Die Schilderung des Falles und die Lösung beruhen ausschließlich auf der Wahrnehmung des Prüflings.
Prüfungsthemen: Strafrecht
Vorpunkte der Kandidaten
Kandidat | 1 | 2 | 3 | 4 | 5 |
Vorpunkte | 9,6 | 10,6 | 4, | 5, | 6, |
Aktenvortrag | 12 | 12 | 4 | 4 | 8 |
Prüfungsgespräch | 11,14,15 | 11,13,15 | 6,10,10 | 7,10,9 | 9,9,11 |
Endnote | 10,97 | 11,51 | 5,66 | 6,11 | 7,07 |
Endnote (1. Examen) | 9,9 |
Zur Sache:
Prüfungsstoff: protokollfest
Prüfungsthemen: StPO
Paragraphen: §152 StPO, §263 StGB, §265 StGB, §145d StGB, §78 StGB
Prüfungsgespräch: Frage-Antwort
Prüfungsgespräch:
Der Prüfer prüfte einen der fünf Fälle aus seinem Repertoire. Es handelte sich dabei wieder einmal um den Rolex-Fall. Er schilderte folgenden, uns bereits bekannten, Sachverhalt:
Vor knapp fünf Jahren meldete ein Versicherungsnehmer seiner Versicherungsgesellschaft, dass ihm bei einem Einbruchdiebstahl seine Rolex-Uhr abhandengekommen sei. Sodann stellte der
Versicherungsnehmer zudem Strafanzeige hinsichtlich des Einbruchsdiebstahls und der gestohlenen Uhr.
Die Versicherung zahlte dem Versicherungsnehmer eine Entschädigung für die Rolex.
Kürzlich teilte die Firma Rolex der Versicherung mit, dass der Versicherungsnehmer die als gestohlen gemeldete Uhr zur Reparatur gebracht hat.
Die Versicherungsgesellschaft erstattete daraufhin Strafanzeige gegen den Versicherungsnehmer.
Bevor wir zur materiell rechtlichen Prüfung kamen, fragte der Prüfer prozessuales Wissen ab. Der Prüfer fragte, wie der zuständige Staatsanwalt nun mit der Anzeige der Versicherungsgesellschaft verfahren wird. Er wollte hören, dass der Staatsanwalt aufgrund des Legalitätsprinzips (§ 152 II StPO) verpflichtet ist, Ermittlungen aufzunehmen, sofern ein Anfangsverdacht besteht. Er fragte, was bei Missachtung des Legalitätsprinzips passiert. Dies hätte zum einen beamtenrechtliche Konsequenzen und sei zum anderen strafbar nach § 258a StGB.
Der Prüfer wollte die Definition des Anfangsverdachts (=Möglichkeit der Begehung einer Straftat) wissen und fragte in diesem Zusammenhang auch noch nach den Definitionen des hinreichenden Tatverdachts (=hinreichende Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Straftat und der Verurteilung wegen dieser) sowie des dringenden Tatverdachts (=hohe Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Straftat).
Der Prüfer wollte wissen, was das Gegenteil bzw. eine Ausnahme des Legalitätsprinzips sei. Dies ist das Opportunitätsprinzip, §§ 153 ff. StPO. Der Prüfer wollte die §§ 153 ff. voneinander abgegrenzt wissen, insb. den Unterschied von § 154 StPO (=mehrere prozessuale Taten) und § 154a (=eine einzige prozessuale Tat) erklärt bekommen.
Der Prüfer fragte zudem, welche weiteren Prozessmaximen außer dem Legalitätsprinzip und dem Opportunitätsprinzip wir kennen. Richtigen Antworten waren:
- Öffentlichkeitsgrundsatz, § 169 S. 1 GVG (Ausnahmen: § 48 JGG bei Jugendlichen und § 172 GVG bei Störung der Ordnung)
- Anklagegrundsatz/Akkusationsgrundsatz, §151 StPO
- Offizialmaxime, § 152 StPO
Sodann fragte der Prüfer, ob wir was mit öffentlicher Vorverurteilung anfangen können und wie sich diese auswirkt. Sie ist strafmildernd im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen.
Weiterhin wollte der Prüfer wissen, was bei einer überlangen Verfahrensdauer passiere. Hier gilt die Vollstreckungslösung des BGH.
Außerdem erkundigte sich der Prüfer nach den Folgen einer rechtsstaatswidrigen Tatprovokation. Hier vertrat der BGH früher, dass diese strafmildernd im Rahmen der Strafzumessung zu berücksichtigen sei. Heute nimmt der BGH ein Verfahrenshindernis an.
Wenn nun hinreichender Tatverdacht besteht, muss Anklage erhoben werden. Es folgt das Zwischenverfahren. Das Gericht prüft nun selbstständig das Bestehen eines hinreichenden Tatverdachtes (zum Schutz des Angeklagten).
Darf das Gericht im Eröffnungsbeschluss von der Anklage abweichen? Ja, § 206 StPO.
Was kann das Gericht tun, wenn es die Staatsanwaltschaft vor dem falschen Gericht angeklagt hat? Hier gilt §§ 207, 209 StPO.
Was kann der Staatsanwalt machen, wenn die Eröffnung des Hauptverfahrens durch das Gericht abgelehnt wird? Sofortige Beschwerde nach § 210 II, 311 StPO binnen 1 Woche.
Was ist der Unterschied zwischen Nachtragsanklage nach § 266 StPO und rechtlichem Hinweis?
Rechtl. Hinweis bei einer einzigen prozessualen Tat, Nachtragsanklage bei zwei prozessualen Taten. Letztere scheitert häufig am Fehlen der erforderlichen Einwilligung des Angeklagten.
Der Prüfer fragte nach den Zuständigkeiten der Gerichte und Spruchkörper.
Er wollte verschiedene Verfahrenshindernisse erläutert bekommen, z.B. fehlender Eröffnungsbeschluss, Strafunmündigkeit, Strafklageverbrauch, Verjährung nach §§ 78 ff. StGB. Außerdem wollte er wissen, welche Möglichkeiten für das Gericht bestehen, ein Verfahren wegen eines Verfahrenshindernisses nach Eröffnung des Hauptverfahrens einzustellen (§ 206a StPO außerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluss bzw. § 260 Abs. 3 StPO im Übrigen durch Urteil). Der Tenor bei § 260 Abs. 3 StPO lautet dann: „Das Verfahren wird eingestellt. Der Angeklagte wird freigesprochen.“
Wir kamen zur materiell rechtlichen Prüfung.
Der Prüfer fragte, was für Straftatbestände hier in Betracht kommen. Es waren § 263, § 265 und § 145d StGB zu nennen. Im Rahmen von § 263 StGB war als erster Prüfungspunkt ein mögliches Verfahrenshindernis in Form der Verjährung zu prüfen. Hier galt nach § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB, d.h. die Frist betrug 5 Jahre. Beginn der Frist war nach § 78a S. 2 StGB die Auszahlung der Versicherungssumme. Da die Verjährung hier noch nicht eingetreten war, aber drohte, sollte die erste Beschuldigtenvernehmung nach § 78c Abs. 1 Nr. 1 StGB erfolgen, welche zu einer Unterbrechung der Verjährung führt. Das bedeutet nach § 78c Abs. 3 S. 1 StGB, dass die Verjährung von neuem beginnt. Es war der Unterschied zum Ruhen nach § 78b StGB zu erläutern, welches nämlich nur zu einer Unterbrechung der führt. Im Ergebnis war § 263 StGB zu bejahen. § 265 StGB scheiterte an der Subsidiarität zu § 263 StGB. § 145d StGB scheiterte daran, dass tatsächlich eine Straftat in Form des Einbruchdiebstahls vorlag. Lediglich wurde in diesem Rahmen keine Rolex gestohlen.
Der Prüfer fragte noch, ob das Gericht einen Beweisantrag ablehnen kann, wenn der benannte Zeuge in Athen wohnt. Er stellte noch allgemeine Fragen zur Ablehnung von Beweisanträgen nach § 244 StGB.
Er prüfte noch § 217 und § 218 StPO.
Viel Erfolg und lest euch sorgfältig alle Protokolle durch und versucht die Sachen auswendig zu lernen! Es kommen wirklich immer die gleichen Fragen dran!